Der Brander
ein Leutnant beugten sich auf dem Vorschiff übers Schanzkleid. Oben in der Takelage arbeiteten die Toppgasten wie die Teufel, um schnell die Segel wegzunehmen und den Druck zu verringern, während immer noch mehr Ankertrosse im tiefen Wasser verschwand.
»Anker hält, Sir!« kam endlich der erlösende Ruf.
Keen nickte. »Verdammte Schweinehunde!« murmelte er.
Gemächlich kreuzte die Yawl heran. Der Midshipman der Wache hatte scharfe Augen. »Da ist so was wie ein Offizier an Bord, Sir«, sagte er.
Hauptmann Dewar von den Marinesoldaten fragte: »Ehrenwache aufziehen, Sir?«
Keen funkelte ihn wütend an. »Nachdem sie meinem Schiff die Einfahrt versperrt haben? Eher sehe ich ihn in der Hölle braten!«
Die braunen Segel der Yawl wurden niedergeholt. Als sie an die Bordwand des Linienschiffs glitt, sagte Bolitho: »Ich empfange ihn in meiner Kajüte.« Damit verschwand er nach achtern, um Keens ohnmächtige Wut nicht länger mitansehen zu müssen.
Es schien ihm eine Ewigkeit zu dauern, ehe der Besucher zu ihm gebracht wurde, und Bolitho fand Zeit, sich zu fragen, wie sich wohl Nelson in seiner Lage verhalten hätte. Einerseits konnte er die Inselbewohner verstehen, andererseits durfte er dieses Benehmen nicht dulden. Yovell öffnete die Tür und ließ den Besucher eintreten, einen Mann von etwa dreißig Jahren, in eindrucksvoller Uniform: blauer Rock und weiße Hose, dazu sowohl Säbel wie Pistole im auf Hochglanz polierten Gürtel. Er sprach mit leicht westenglischem Akzent. Aus Devon, schätzte Bolitho, wie sein. Sekretär.
»Ich komme im Auftrag des Gouverneurs!«
Keen, der ihm auf den Fersen gefolgt war, bellte: »Sie haben ›Sir‹ zu sagen, wenn Sie mit dem Admiral sprechen!«
»Und wie war Ihr Name, wenn ich fragen darf?« sagte Bolitho.
Der Mann warf Keen einen wütenden Blick zu. »Ich bin Hauptmann Masters von der Miliz auf San Felipe.« Pause. »Sir.«
»Also gut, Hauptmann Masters. Ehe einer von uns etwas Unwiderrufliches äußert, will ich Ihnen
meine
Absichten erläutern.«
Aber der Mann hatte sein Selbstvertrauen wiedergefunden und unterbrach Bolitho: »Der Gouverneur läßt Ihnen durch mich mitteilen, daß die Sperre an ihrem Platz bleibt, bis die Verhandlungen beendet sind. Danach…«
Ruhig sagte Bolitho: »Was danach kommt, geht ihn nichts mehr an. Und wie soll ich den Gouverneur besuchen, wenn mein Schiff am Einlaufen gehindert wird?«
»Ich bringe Sie in der Yawl an Land.« Er sah, daß Keen einen Schritt auf ihn zu machte, und ergänzte schnell: »Sir.«
»Aha. Und jetzt teile ich Ihnen etwas mit, Hauptmann Masters von der San-Felipe-Miliz: Ich gehe in meiner Barkasse an Land und werde dem Gouverneur die schriftliche Entscheidung der Regierung Seiner Majestät übergeben.«
»Er wird sie nicht akzeptieren!«
Bolitho sah Keen an. »Lassen Sie meine Barkasse aussetzen.« Er las Keen den Widerspruch vom Gesicht ab; genau wie Herrick, dachte er.
»Dann segle ich vor Ihnen her«, beharrte Masters.
»Nein. Sie stehen unter Arrest. Jede Gegenwehr Ihrerseits wird scharf geahndet, und zwar durch den Strick. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Bolitho sah, daß er mit seinen beherrschten Worten ins Schwarze getroffen hatte. Wahrscheinlich war Masters gewöhnt, Eingeborene auf den Plantagen zu schikanieren; diese plötzliche Wende seines Geschicks machte ihn sprachlos.
Keen fuhr ihn an: »Legen Sie die Waffen ab!« Und mit erhobener Stimme: »Sergeant Saxton, führen Sie diesen Mann in die Zelle!«
Als der Seesoldat ihm Säbel und Pistole abnahm, rang Masters nach Luft. »Ihre Drohungen können mich nicht einschüchtern, Admiral!«
rief er aus.
Bolitho erhob sich und trat an die Heckfenster. Von der Festung herunter mußten viele Zeugen das Schiff beobachten und abwarten, welchen Lauf die Dinge nahmen. Vielleicht eröffnete der Gouverneur sogar das Feuer auf seine Barkasse oder nahm ihn als Geisel, bis… Er verbot sich diese Gedanken und sagte nur kalt zu Masters: »Das sollten sie aber.«
Als er sich wieder umwandte, war Masters schon abgeführt worden; draußen erklangen laute Befehle, als die Seesoldaten das Kommando über die Yawl übernahmen.
Eifrig schlug Keen vor: »Lassen Sie mich die Sperre rammen, Sir! Dann laufen wir ein wie geplant und beharken diese räudigen Meuterer, daß es ihnen eine Lehre ist.«
Bolitho tat seine Besorgnis wohl. »Dazu würden wir den ganzen Tag brauchen, vielleicht sogar länger. Selbst wenn Sie Erfolg damit hätten, würde es viele
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