Der Brandstifter
vollständig wiederhergestellt war. Godley wusste eben, wie man mit Mitarbeitern umgeht.
» Alles andere packen wir in Kartons und bringen es Ihnen vorbei. Und ich komme Sie besuchen«, hatte Godley versprochen. » Rufen Sie mich jederzeit an, wenn es was zu besprechen gibt. Und falls Sie auf etwas stoßen, das genauer recherchiert werden muss, steht Ihnen Peter Belcott dafür zur Verfügung. Keiner in meinem Team kennt den Fall so gut wie Sie. Ich brauche Ihre Erkenntnisse über die Beteiligten und deren Persönlichkeit. Ich weiß, dass Sie Ihren eigenen Verdacht haben, was Rebeccas Mörder betrifft, aber schieben Sie den möglichst beiseite und gehen Sie das Beweismaterial möglichst unvoreingenommen durch.«
» Für die Ermittlungen im Mord an Rebecca war doch eigentlich DI Judd verantwortlich«, setzte ich an, aber Godley schüttelte den Kopf.
» Machen Sie sich wegen Tom mal keine Gedanken. Der hat mit anderen Dingen genug zu tun. Und ich hatte sowieso nicht den Eindruck, dass er so konzentriert bei der Sache war wie Sie. Aber ich habe das Gefühl, dass Sie die Antworten haben, Maeve, wenn Sie sich nur die Chance geben, sie auch zu erkennen.«
» Ihr Vertrauen ist natürlich schmeichelhaft, aber ich bin mir nicht sicher, ob es auch berechtigt ist«, stammelte ich und fühlte mich alles andere als geistreich.
» Vielleicht überraschen Sie sich ja selbst.« Mit einem Blick auf meine Mutter ergänzte er: » Natürlich sollten Sie sich auf gar keinen Fall zu viel zumuten.«
Ich hatte mir zwar geschworen, meine Kräfte zu schonen, war aber auch fest entschlossen, weder ihn noch mich im Stich zu lassen. Und wenn das bedeutete, dass ich in meinem Auto über der Akte sitzen oder sie mir nachts unters Kopfkissen legen musste, damit meine Mutter sie nicht heimlich verschwinden ließ– dann musste das eben sein.
Daheim, in der gnadenlos aufgeräumten Doppelhaushälfte meiner Eltern in Cheam, nahm ich das weitgehend ungenutzte Esszimmer in Beschlag. Ich breitete den Inhalt der Akte auf dem großen Tisch aus und sortierte alles in ordentliche Stapel, als würde das helfen, aus ihnen schlau zu werden, als würde ein hübsches Arrangement auf dem Tisch die Wahrheit offenbaren. Am nächsten Tag trafen zwei Kartons ein, angeliefert von Rob, der mir resigniert dabei zusah, wie ich sie durchwühlte. Er fand, dass es noch zu früh für mich war zum Arbeiten, und sagte mir das auch deutlich, wofür meine Mutter ihn geradezu vergötterte. Ich schickte ihn lieber zum Teetrinken und gab mich erst einmal einer Sortierorgie hin. Einen Stapel bildeten die Vernehmungen, die andere Kollegen in Judds Auftrag mit Rebeccas Nachbarn, früheren Kunden und ein paar ehemaligen Mitbewohnern durchgeführt hatten. Ein anderer Stapel bezog sich auf Oxford. Bei diesem war ich unschlüssig– ich war mir immer noch nicht sicher, ob er so viel Aufmerksamkeit verdiente–, doch dann erinnerte ich mich wieder an Tilly Shaws Worte und ihr ernstes Gesicht. » Sie hat gesagt, dass sie eines Tages mit ihrem Leben für das eines anderen würde bezahlen müssen.«
Wenn es Adams Tod war, der bei Rebecca etwas in Gang gebracht hatte, das mit ihrer Ermordung endete, wollte ich sämtliche ihrer Schritte zurückverfolgen. Auf einen weiteren Stapel legte ich alle Ermittlungsunterlagen zu Rebeccas Tod: rechtsmedizinische Gutachten, Obduktionsbericht, Fotos, Bänder von Überwachungskameras, Zeugenaussagen, Handy-Auswertungen, Finanzdokumente. Und einen letzten Stapel bildeten meine eigenen Aufzeichnungen von den Vernehmungen, die ich durchgeführt hatte. Die musste ich mir alle noch einmal ansehen, falls ich etwas übersehen hatte oder falls es Anmerkungen gab, weil anderen vielleicht Ungereimtheiten aufgefallen waren. Godley hatte Recht. Wenn ich nicht die Antworten fand, die er suchte, würde es wohl niemandem gelingen.
Rob steckte den Kopf halb durch die Tür. » Ich mach mich mal wieder auf den Weg.«
» Oh«, sagte ich und klang schon wieder viel zu enttäuscht. Ich rang mir ein Lächeln ab. » Geht klar. Ich versteh schon, dass es dir reicht für heute. Das geht jedem so, der längere Zeit meiner Mutter ausgesetzt war.«
» Was redest du da? Sie ist doch allerliebst«, entgegnete er grinsend.
» Ach ja? Solltest du Ian noch mal treffen, frag ihn mal nach ihr. Er wird dir jede Illusion nehmen.«
» Danke, aber ich mach mir lieber selber ein Bild. Viel Glück bei der Arbeit, und übertreib’s nicht.« Er winkte mir von der Tür aus zu und
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