Der Brandstifter
Keine Normalität. Kein Familienleben. Nein, herzlichen Dank. Da treffe ich lieber meine eigene Entscheidung und mache nicht mehr mit. Ich will kein Teil des Rechtssystems mehr sein. Das habe ich gründlich satt, und alles andere auch.
Aber bevor ich abtrete, will ich dir noch erzählen, was passiert ist und warum. Ich möchte weder, dass du mir verzeihst, noch dass du um mich trauerst. Lass dir bloß nicht einfallen, einen auf gebrochenes Herz zu machen– wir wissen beide, dass du dazu gar nicht fähig bist. Ich möchte, dass du das begreifst, denn ich will dir vor Augen halten, wie du wirklich bist. Du hast Geld und Charme, wenn du damit was erreichen willst, und noch dazu ein ansehnliches Gesicht, aber das ist alles nur Fassade. Ich musste ja oft lachen, als wir noch zusammen waren, wenn du mich mal wieder manipulieren wolltest. DC Kerrigan dachte, dass du eine Gefahr für mich bist, aber es war genau anders herum. Du glaubtest, du wärest der Gefährliche, aber du weißt gar nicht, was gefährlich ist. Du bist bloß ein Frauenfeind mit dem Hang zu gewaltsamem Sex. Du hast mich vergewaltigt, und ich bin mir ziemlich sicher, dass du auch Rebecca vergewaltigt hast– und die Geschichte mit dem gebrochenen Wangenknochen, was angeblich nur ein Unfall war, klang mir auch nicht sonderlich überzeugend, das muss ich zugeben. Aber deswegen bist du noch nichts Besonderes, Gil. Deswegen bist du auch nicht irgendwie clever. Und deswegen hast du weder mich verdient noch Rebecca– oder auch eine der anderen Frauen, die du über die Jahre versucht hast zu dominieren.
Ich weiß nicht, wann du diesen Brief lesen wirst oder ob sie ihn dir überhaupt aushändigen. Wenn ich meinen Abgang fertig vorbereitet habe, werde ich auch für DC Kerrigan eine Nachricht hinterlassen und sie bitten, ihn dir tatsächlich zukommen zu lassen. Ich glaube schon, dass sie das für mich tun wird. Oder zumindest für dich. Sie wird wahrscheinlich ein schlechtes Gewissen haben, weil sie dich verdächtigt hat, was du ihr aber nicht vorwerfen solltest. Ich war nämlich echt überzeugend. Ich bin ziemlich gut im Lügen, wie dir sicher aufgefallen ist.
Ich will versuchen, mich klar und deutlich auszudrücken. » Redet von mir, wie ich bin; verkleinert meine Fehler nicht, aber macht mich auch nicht schlimmer, als ich war.« So ging das doch? Ich kann mich nur dunkel an Othello erinnern, aber diese Zeile ist mir immer im Gedächtnis geblieben. Am Ende bleibt nichts weiter als die Wahrheit. Es wäre sinnlos, noch etwas leugnen zu wollen. Nur noch wenige Tage, dann kann ich die Antidepressiva schlucken, die ich gehortet habe. Bis nach dem Prozess kann ich damit nicht warten, denn von da an werden sie mich überwachen. Jetzt ist der beste Moment. Ich habe viel Zeit darauf verwendet, die Aufseher dazu zu bringen, mir zu vertrauen. Meine Zelle durchsuchen sie nie. Faszinierend, was man mit » bitte« und » danke« so alles erreichen kann. In Untersuchungshaft zu sitzen ist nun mal belastend, und es war überhaupt kein Problem, den Gefängnisarzt davon zu überzeugen, mir Antidepressiva zu verschreiben. Sie nicht zu nehmen war da schon erheblich schwieriger– eine echte Willensanstrengung. Aber ich habe mich gut im Griff, besonders dann, wenn ich etwas will. Als du es warst, was ich– zumindest eine Zeitlang– wollte, war das genauso.
Ich wollte Rebecca nicht umbringen– das muss ich von vornherein klarstellen. Weder hat mir das einen besonderen Kick gegeben, noch hat es mir Spaß gemacht. Aber ich musste es tun, um mich selbst zu retten. Rebecca war schwach. Zu schwach für das Wissen, das sie über mich hatte. Zu schwach, als dass ich ihr hätte vertrauen können. Zu schwach, um mir die Freundin zu sein, die ich ihr war.
Damit du das alles auch verstehst, muss ich ganz von vorn anfangen, was gar nicht so einfach ist. Ich rede sonst eigentlich nicht über meine Kindheit. In die Stadt, in der ich aufwuchs, bin ich nie wieder zurückgekehrt. Ich werde dir auch nicht sagen, wo das war. Es spielt keine Rolle für meine Entwicklung.
Ich lebte mit meiner Mutter und meiner Großmutter zusammen. Ohne Vater– frag mich bitte nicht, wo er abgeblieben ist. Er war jedenfalls nicht da. Ich habe ihn nicht vermisst. Mum war ein Wrack, meistens kaum zu gebrauchen. Sie war manisch-depressiv– entweder schwebte sie auf einer Wolke, oder sie war am Boden zerstört–, und ich wusste nie, in welchem Zustand ich sie antreffen würde, wenn ich morgens aufstand. Wie ich es
Weitere Kostenlose Bücher