Der Brennende Salamander
fühlten wir uns wie in einer Muschel behütet vor allen Unbilden der Welt und wohlgeborgen hinter den Mauern unseres Hauses.
2. Barnabas. Ich habe dich von dem Augenblick an, als ich die Geschichte des heiligen Barnabas zum erstenmal hörte, Barnabas genannt.
Es war mir damals noch nicht ganz klar, weshalb, erst später, als ich mich genauer mit ihm auseinandersetzte und mehr von seinem Leben erfuhr, wußte ich, warum du in meinen Gedanken Barnabas bist.
Ich hatte nie nach dir gesucht, weil du mich nicht interessiertest. Meine Mutter war mir wichtig, du warst es nicht; zumindest für lange Zeit nicht.
Einmal glaubte ich, deine Spur gefunden zu haben. Sie führte zu einem Priester in einem kleinen Kloster am Rand der Stadt, dessen Namen ich durch Zufall erfahren hatte. Ich besuchte dieses Kloster immer wieder, trieb mich in seiner Nähe herum, versuchte, in das Gesicht unter der Kapuze zu schauen, eine Ähnlichkeit zwischen dir und mir zu entdecken. Ich war nicht mehr ansprechbar für die kleinen Freuden des Alltags, trank nicht einmal einen Becher Trebbiano zur Abendstunde in den Tavernen. Und hoffte törichterweise, daß ich dir irgendwann näherkommen würde. Daß du herauskämst aus diesem Kloster, die Kutte wehend um deine schlanke Gestalt – ich sah dich immer schlank, fast dürr. Und dann ging ich in die Kirche. Ich trat in den Beichtstuhl und wollte bei dir die Beichte ablegen.
Ich habe mir vorher sorgfältig überlegt, was ich dir beichten wollte. Ich wollte dich in Gewissenskonflikte führen, dich quälen, wollte sehen, wie du reagierst auf einen, der seinen Vater nicht kennt und sucht, wollte wissen, wie einer sich fühlt, der soeben erfährt, daß er einen Sohn hat.
Ich versuchte, durch die hölzerne Gitterwand dein Gesicht zu erkennen, stellte mir vor, daß du schwitzt. Ich wollte, daß du schwitzt, auch wenn der Tag kalt war. Ich wollte auch, daß du mich fragst, ausführlich fragst, daß du Details wissen möchtest, zum Beispiel wissen möchtest, wie die Sache mit der Ziege war, obwohl dies nicht meine Geschichte war, sondern die von Leonello. Ich habe sie mir übergestülpt, weil ich testen wollte, wie du diese Sünde einschätzt. Und ich wollte, daß du anschließend mit schlurfenden Schritten den Beichtstuhl verläßt. Gebeugt von der Sünde, die ich dir vor die Füße gelegt habe.
Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Du konntest es nicht gewesen sein. Du sagtest in aller Sachlichkeit, daß Gott unser aller Vater sei und wir bei ihm geborgen seien. Nicht die Spur eines Zögerns, kein Stottern, keine Verlegenheit, keine Lügen, die so offensichtlich gewesen wären, daß ich hätte sicher sein können, dich als meinen Erzeuger entlarvt zu haben.
Ich sagte also all die schlimmen Dinge nicht, die ich in meinem rachsüchtigen Kopf vorbereitet hatte: Wann, Monsignore, tatet Ihr das, was Euch in die Sünde führte? Wie lange kanntet Ihr Eure Mitschwester schon, diese Nonne, die dann meine Mutter wurde? Wie oft triebt Ihr es mit ihr, bis Ihr mich aus dem Weltall pflücktet? Wie oft, nachdem ich bereits begonnen hatte, im Leib dieser Frau zu wachsen? Und vor allem, wo tatet ihr es? Die Zahl der Stätten der Lust dürfte beschränkt gewesen sein. Kein Gebüsch am Arno, kein Wäldchen in der Umgebung, kein Raum, der Euch je allein gehörte – oder etwa doch? Ich sehe Euch auf einem Dachboden, in einem glutheißen Sommer, die Stiege schmal, die zu den kleinen Fässern mit Vin santo führt. Diese Fäßchen scheinen mir passend für Eure Geschichte, der süßliche Geruch muß Euer beider Gier angeheizt haben, er wird Euch die Kutten von den Leibern gerissen und Eure Hände voller Emsigkeit beschäftigt haben, ohne daß Euer Kopf sie noch lenkte. Manchmal denke ich, es könnte vielleicht in den Tagen der Pest gewesen sein, weil in solchen Zeiten alles anders ist und zügelloser. Dann wiederum meine ich, daß es so nicht gewesen sein darf, ich will kein Mitleid mit Euch haben. Ihr sollt nicht gedacht haben, das Ende stehe bevor und nun sei ohnehin alles egal. Ich will, daß Eure Sünde prall und groß ist. Ihr sollt in voller Verantwortung die Schwelle des Unrechts übertreten haben, auch wenn ich mich frage, ob Ihr überhaupt Lust empfunden habt bei diesen Dingen, die Euch beiden doch fremd gewesen sein dürften, Monsignore.
Manchmal verlege ich die Szene auch in den Klostergarten, hinter das Gewürzbeet, wo Lattich, wilde Zichorie und Bergminze wuchern. Ich überlege mir, ob Ihr fürsorglich eine
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