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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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Decke mitgebracht habt oder ob es Euch gleich war, wie hart oder weich Ihr lagt. Ob Ihr zärtlich gewesen seid oder grob, ob Ihr die Sache so rasch wie möglich hinter Euch bringen wolltet, weil Ihr keine Geduld hattet und es nur auf Euer Vergnügen ankam. Ob Ihr beide vielleicht gar nicht verabredet wart, Euch vielleicht nur zufällig begegnet seid, der Fehltritt dann ein reiner Akt des Zufalls war.
    Und später dann – wie habt Ihr Euer Ausgestoßensein empfunden? Wie lange seid Ihr nach jenen Wochen der Angst in irgendeinem Kreuzgang auf und ab gewandelt, habt geflüstert bei Nacht, ratlos, bis Ihr Euch kurz vor der Tagesdämmerung gemeinsam für jene pila entschieden habt zur Verbergung Eurer Sünde? Ich nehme doch an, daß Ihr es gemeinsam entschieden habt, daß Ihr meine Mutter nicht feige alleingelassen habt, Monsignore, mit ihrer Entscheidung – oder etwa doch? Ist nur sie im Kreuzgang auf und ab gegangen, Schritt für Schritt, dabei immer langsamer werdend, bis sie schließlich nur noch diesen einen Ausweg sah, falls sie nicht die Todsünde des Ertränkens der Leibesfrucht im Arno auf sich laden wollte? Hattet Ihr vielleicht jene Augenblicke der Lust längst verworfen, die Euch an den Rand der ewigen Verdammnis gebracht haben? Oder habt Ihr am Ende Euer sündiges Tun auch dann noch fortgeführt, nachdem Ihr Euch meiner entledigt hattet und ich in eine andere Welt abgeschoben worden war?
    In manchen Nächten habe ich das Gefühl, die Flut dieser Vorstellungen nicht länger ertragen zu können. Ich frage mich, woher all diese sündigen Gedanken kommen, ob ich nicht bereits selber vom Teufel besessen bin und einen Exorzisten nötig habe. Es gelingt mir nicht, diesen Gedankenstrom zu unterbrechen, die Bilder fließen weiter, greifen ineinander, rasten genau dort wieder ein, wo eine Unterbrechung möglich schien.
    Ich werde also nie Euren Kreuzgang kennenlernen, werde vermutlich auch nie zu deinen Füßen sitzen, Vater, und deinen Geschichten zuhören, die du mir erzählst von deinen Reisen. Ich weiß nicht, weshalb ich mich stets zu deinen Füßen sitzen sehe, aber es ist dieses Bild, das mich überfällt, wenn ich an dich denke. Habe ich übrigens erzählt, daß sich deine Figur und die des Heiligen an manchen Punkten überschneiden und verwischen? Daß du der Barnabas von heute bist und zugleich jener große Mann der Kirchengeschichte aus Zypern, jener Vetter des heiligen Markus, der Paulus auf seiner ersten Missionsreise begleitet und in der Gemeinde von Antiochien eine wichtige Rolle gespielt hat? Und immer erfaßt mich Traurigkeit, da ich dir nie etwas von mir zeigen kann. Alles kann nur in meiner Vorstellung stattfinden. Ich nehme dich dann mit in unser Atelier, wenn die anderen beim Fischen am Arno sind oder in der Stadt. Ich zeige dir meine Bilder. Erkläre dir das große Abenteuer der prospettiva . Ich lasse dich Fragen stellen, eifrige Fragen, die deiner würdig sind. So willst du wissen, weshalb ich die Kreuzigung an dieser Stelle der Landschaft gemalt habe und die Grablegung an jener. Für einen kurzen Zeitraum haben wir einen discorso , als seien wir zwei Männer, die soeben den Auftrag für eine Kirche besprechen. Wieviel Gold, wieviel Azurit. Nein, das dürfte zu teuer sein, sage ich lächelnd, während du in aller Großzügigkeit das ganze Gewand der Mutter Gottes am liebsten mit Goldplättchen unterlegen lassen möchtest.
    So treffen wir uns in aller Heimlichkeit in diesem Atelier. Ich werde weiterhin verschweigen, weshalb ich mich mit meinem Vater nur in meiner Vorstellung verabreden kann, du wirst weiterhin deinen Sohn verleugnen, der ein Maler geworden ist. Sollte er eines Tages ein großer Maler werden, kannst du nicht stolz auf ihn sein: Dieser Sohn gehört dir nicht. Er trägt nicht deinen Namen. Er ist ein innocenti.
    Manchmal in meinen wilden Phasen überlege ich mir, wie ich dich am meisten verletzen könnte. Ich könnte beiläufig den Begriff gettatelli einfließen lassen, die Weggeworfenen, ein Wort, das stärker ist als innocenti, die Unschuldigen. Ein Wort, das schneidet. Aber dann verzichte ich darauf.
    Ich nehme meine Posaune und lasse mich im Boot auf dem Arno treiben. Ich blase so lange, bis keine Luft mehr in mir ist, alle Kraft entwichen bis auf den Grund meiner Seele.
    Laß dein Blut nicht so wallen! sagte meine Amme einmal zu mir. Es war an einem der Tage, an denen sie uns alle eingeladen hatte, und sie wurde zufällig nachts Zeuge eines meiner Alpträume, in dem ich

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