Der Brennende Salamander
Rocco von seiner harten Seite kennen. Du bist der undankbarste Kumpan, den ich kenne, pflegte er dann zu sagen. Was willst du eigentlich? Keinerlei Zwänge, nur das tun, was dir gefällt? Etwa zu den Campanacci gehören?
Ich wäre nicht abgeneigt, sagte ich bissig, um ihn zu ärgern. Die Campanacci waren eine Gruppe von adeligen Jugendlichen, die sich überhaupt nicht um das scherten, was galt oder nicht galt. Sie lebten nach ihren eigenen Gesetzen, und wenn Savonarola zum Beispiel angeordnet hatte, daß der Faschingsmontag kein Tag der Freude sein dürfe und weder große Essen noch Tanz stattfinden sollten, so hatten sie stets genau das Gegenteil davon getan.
Schließlich kamen, was unsere zukünftigen Berufe betraf, doch etliche Vereinbarungen zustande, und Rocco konnte durchsetzen, daß er im darauffolgenden Jahr zu einem Maler in die Lehre gehen durfte. War sein Lehrherr auch kein Masaccio, der schon längst nicht mehr lebte, schien Rocco dennoch zufrieden, lernen konnte er überall, und vermutlich rührten sie den Leim bei Leonardo und Michelangelo auch nicht anders an als bei einem weniger berühmten Maler.
Ich hatte gar nicht erst versucht, eine Malerlehre anzustreben, weil es dann vermutlich sofort einen unedlen Wettstreit zwischen Rocco und mir gegeben hätte, und wäre es nur darum gegangen, wer die Farbe gründlicher anrieb oder den Untergrund für ein Fresko sorgfältiger glattstrich.
Ich fand es in Ordnung, daß ich einen Färber fand, der mich haben wollte, einen Seidenfärber, nachdem ich mich geweigert hatte, ein Seidenspinner zu werden. Ich ging also Tag für Tag in seine bottega, räumte auf, schrubbte am Abend die Farbreste weg, die beim Umrühren der Farbe auf den Boden spritzten, brachte den Indigo zum Mahlen in die Farbmühle, die der Zunft gehörte, und lernte ebenfalls die Namen und Eigenschaften der Farben, da mein Meister sich auf zendado spezialisiert hatte, ein leichtes Seidengewebe, das wir dann als Purpurstoff nach Pisa und bis nach Paris verkauften.
Ich hatte einen freundlichen Meister, der bereit war, mir alles zu zeigen, was mich interessierte, und es interessierte mich vieles. Auch wenn Roccos Beruf als ›höher‹ angesehen wurde, störte mich das nicht. Als tintore konnte ich nicht berühmt werden, aber es war auch ungewiß, ob Rocco es als Maler eines Tages würde, vorausgesetzt, daß dieses Berühmtwerden ein wichtiger Grund für seine Berufswahl gewesen war. Es konnte geradesogut sein, daß er als Schabrackenmaler endete oder als Schandmaler und niemand in unserer Stadt sich je an seinen Namen erinnern würde. Viele Jahre später, als Michelangelos grandiose David-Figur mit großem Spektakel durch Florenz gezogen wurde, sagte er zu mir seufzend: Nun ja, das wär's natürlich schon. Und ich legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter und erinnerte ihn an die Götter, die die Unmäßigen stets am härtesten bestrafen.
Es lief also lange Zeit gut zwischen uns. Wir gingen in unsere unterschiedlichen Werkstätten in verschiedenen Stadtteilen, und Daniele verlor an Bedeutung, insofern er nun Matratzenmacher in Siena war und mit Kunst wenig zu tun hatte.
Rocco und ich gingen am Abend regelmäßig in eine der Tavernen, von denen es die meisten am Altmarkt gab. Wir verbrachten unsere Sonntage gemeinsam, meist am Arno mit Angeln, und saßen auch manchmal in jenem verwilderten Teil des Gartens, wo wir uns gegenseitig vorlasen.
Wir redeten nie von dem Tag, an dem wir das Ospedale würden verlassen müssen. Ja, fast sparten wir die Zahl achtzehn bei unseren Gesprächen aus, weil sie uns an jenen Tag erinnerte, der zwar noch fern war, aber wiederum auch nicht allzu fern. Schon waren wir in unsere Berufe eingespannt, schon gehörten wir nicht mehr zu jenen, die sorglos in den Tag hineinleben konnten. Unseren Lohn mußten wir zum Teil im Ospedale abgeben, aber das fanden wir mehr als gerecht, damit die, die nach uns kamen, ebenfalls eine Erziehung erhielten und versorgt wurden.
Wir wollten auch nicht darüber nachdenken, was nach unserem achtzehnten Geburtstag sein würde. Wie in anderen großen Familien – natürlich nicht in solch gigantischen wie der unseren – wußte jeder vom anderen alles, was wichtig war zu wissen, was er erwartete, vielleicht auch fürchtete. Doch während jene, die nicht im Ospedale lebten, auf diesen Tag zulebten, weil sie sich dann frei fühlten und das Elternhaus verlassen konnten, war dies bei uns nicht der Fall. Zumindest sprach keiner davon. Noch
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