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Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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eine verzweifelte Mutter wie die Frau Doktor notfalls nach jedem Strohhalm greifen wird, kann man annehmen. Je länger die Entführer schweigen, um so mehr Gewicht kriegt die alte Knoll-Forderung. Ohne dass er sich überhaupt noch einmal zu Wort melden muss. Und Lösegeldübergabe gibt es auch keine. Eine Entführung ohne neuralgischen Punkt, Herr Kollege.«
    Ich muss sagen, blöd wäre die Aktion vom Knoll nicht gewesen. Zuerst die Forderung ganz nebenbei und natürlich ohne Zeugen in den Raum stellen und erst hinterher die Entführung. Weil es gibt für die Angehörigen nichts Schlimmeres als eine Entführung, wo keine Forderung gestellt wird. Und für die Kripo nichts Schlimmeres als eine Entführung ohne Lösegeldübergabe. Sobald die Frau Doktor die Klinik von sich aus schließt, ohne dass der Entführer auch nur einen einzigen Anruf gemacht hat, taucht das Kind eben wohlbehalten wieder auf. Zufällig.
     
    »Dann kümmert euch um den Knoll und nicht um mich. Ich hab diesen Menschen noch nie gesehen.« »Draußen wartet eine Dame auf dich«, hat der Peinhaupt gegrinst und ihm das Protokoll zum Unterschreiben hingehalten.
    Die Unterschrift hat aber dann ausgesehen, als hätte die zweijährige Helena für ihren Fahrer unterschrieben. Weil seine Hand hat aus Angst vor ihrer Mutter gezittert, dass der Doktor Parkinson persönlich stolz auf den Herrn Simon gewesen wäre.
     

7
     
    Jetzt gute Nachricht, draußen am Gang hat gar nicht die Frau Doktor auf den Herrn Simon gewartet. Die hat genug mit ihrem Nervenzusammenbruch zu tun gehabt. Sondern die Natalie ist auf der Wartebank gesessen und hat ihn mit ihren ernsten Augen angeschaut, die dem Herrn Simon vom ersten Tag an so gut gefallen haben. Pass auf, die Natalie war die Psychologin in der Klinik, weil Schwangerschaftsunterbrechung nie ohne psychologische Beratung. Und ausgerechnet die Psychologin hat in seiner ersten Arbeitswoche eine unangenehme Nebenwirkung von seinen Tabletten zu spüren bekommen. Du musst wissen, die Tabletten haben ihn ein bisschen sprunghaft gemacht. Oft war er die Gelassenheit in Person, dann hat ihn eine Kleinigkeit wieder wahnsinnig aufgeregt. Oder er hat einen dummen Witz gerissen, der ihm früher gar nicht eingefallen wäre. Nur damit du verstehst. Weil die Natalie war damals sehr verletzt, obwohl der Herr Simon es gar nicht böse gemeint hat. Es war einfach ein übermütiger Moment, wo er sich dumm gestellt und so getan hat, als würde er glauben, sie muss den Embryo beraten. Also Trost spenden, quasi mach dir nichts draus, Leben sowieso nicht berühmt, das kannst du ruhig auslassen, sei froh, dass du weiter mit den Mücken fliegen darfst.
    Daran merkst du schon, wie gut ihm die Natalie gefallen hat, weil umsonst redet man als Mann nicht so einen Schwachsinn. Da ist er aber bei der Natalie an die Falsche geraten, frage nicht. Er hat später nachgezählt, und ob du es glaubst oder nicht, sie hat in einem einzigen Satz dreimal das Wort »pubertär« untergebracht.
    Und der Herr Simon hat es geschafft, dass er sie innerhalb der ersten Woche gleich noch ein zweites Mal verletzt hat. Aber da muss ich schon sagen, da war die Natalie überempfindlich! Weil sein Kompliment, dass es in ihrem Fall schade gewesen wäre, wenn sie nicht auf die Welt gekommen wäre, hätte sie nicht unbedingt mit so einem Stirnrunzeln zurückweisen müssen. Mein Gott, es gibt eben immer wieder Leute, wo man sagt, bei dem wäre es nicht schade gewesen, wenn seine Mutter es sich anders überlegt hätte, und dann gibt es die große Mehrheit, wo man sagt, bei dem kommt es auf das Gleiche hinaus, ob er da ist oder nicht, quasi neutral, aber ganz selten ist einer dabei, wo man sagt, bei dem wäre es direkt schade gewesen. Siehe Natalie, mit ihren schwarzen Locken, mit ihren weißen Zähnen, mit ihren grünen Punkten in ihren dunkelbraunen Augen und mit ihrem Mund, der in einem einzigen Satz dreimal »pubertär« untergebracht hat. Aber wenn du, wie die Natalie, selber in dieser Branche arbeitest, willst du so ein zweifelhaftes Kompliment natürlich nicht hören. Da kann ich schon die Natalie auch verstehen. Andererseits der Herr Simon damals noch ganz neu in der Firma, der hat sich erst auf den richtigen Klinik-Umgangston einstellen müssen, weil immer eine eigene Wissenschaft, was man wo wie sagen darf und was man wo wie nicht sagen darf.
    Aber trotz diesen kleinen Reibereien möchte ich nicht sagen, dass die Natalie den Herrn Simon nicht gemocht hat. Im Gegenteil!

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