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Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Obwohl sie nichts von seiner polizeilichen Vergangenheit gewusst hat, hat sie sofort gespürt, dass hinter dem korrekten und ein bisschen steifen Chauffeur ein ganz anderer Mensch steckt. Weil natürlich, einer geschulten Psychologin machst du keinen Herrn Simon vor, wenn du ein alter Brenner bist.
    Aber es war verhext mit den beiden, weil heute sind sie schon wieder zusammengekracht.
    »Mein Gott, wie schauen Sie denn aus!«, haben beide gleichzeitig gesagt.
     
    Und wenn es nicht so traurig gewesen wäre, hätten sie vielleicht gelacht, und womöglich hätte mit diesem gleichzeitigen Satz sogar eine Liebesgeschichte beginnen können, aber so leider nur eine Todesgeschichte.
     
    Also Todesgeschichte nur langfristig gesehen, was eben dann in der nächsten Woche alles passiert ist und den ganzen Dreck aufgewirbelt hat, Fernsehen, Zeitung und und und. Kurzfristig, so lange sie da am Polizeigang auf der Wartebank gesessen sind, natürlich noch keine Todesgeschichte, sondern nur eine Rauswurfgeschichte. Pass auf, die Natalie hat in einer billigen Reisetasche seine Habseligkeiten dabei gehabt und ihm den Autoschlüssel und den Wohnungsschlüssel für seine Chauffeurwohnung abgeknöpft. Weil da hat der Kressdorf an der Einfahrt zur Hietzinger Villa über die Doppelgarage eine kleine Chauffeur-Unterkunft gebaut, sehr gemütliche Wohnung, aber eben jetzt nicht mehr die Wohnung vom Herrn Simon, weil die Frau Doktor hat gesagt: Ich will den Menschen nie wieder sehen. Siehst du, die hat sich vor ihm fast mehr gefürchtet als er vor ihr.
    Die Natalie hat ihm noch ein Kuvert mit einem Monats
    gehalt gegeben, und dann hat sie ihm die Hand zum Abschied hingestreckt und noch etwas wahnsinnig Nettes gesagt, das hat dem Herrn Simon mehr wehgetan, als wenn sie ihn als Mörder beschimpft hätte. Pass auf, sie hat gesagt: »Herr Simon, die Helena hat Sie immer gern gehabt.«
     
    »Die Dreckschweine finde«, hat er gesagt, aber bei »finde« hat seine Stimme schon so gewackelt, dass er das »ich« nicht mehr herausgebracht hat.
     
    Die Natalie hat ihn aber trotzdem verstanden. Sie hat ihn wieder so böse angeschaut wie damals und abwehrend den Kopf geschüttelt, quasi: Richten Sie bloß nicht noch mehr Unglück an, Herr Simon.
     
    Das war aber im Moment die bessere Behandlung für ihn, weil so hat er sich wieder beruhigt und mit normaler Stimme gefragt: »Gibt es schon eine Forderung von den Entführern? «
     
    »Herr Simon«, hat die Natalie gesagt, und ihre Lippen sind dabei so schmal geworden, dass man sich bei einem Kuss lebensgefährlich verletzt hätte.
    »Ein Privater kann so ein Kind viel leichter finden.« »Herr Simon!«
      »Bei der Polizei dauert es drei Wochen, bis sich überhaupt ein Zuständiger findet, der gerade im Krankenstand ist und danach sagt: Jetzt ist es zu spät, das Verbrechen ist verjährt.«
     
    »Herr Simon, hören Sie mir gut zu. Sie dürfen in dieser Sache überhaupt nichts unternehmen.« Sie hat ihn mit ihren dunklen Augen so ernst angeschaut, dass ihm alles vergangen ist. »Wir wissen, dass Sie einmal bei der Polizei waren.«
    Das hat sie natürlich betonen müssen, weil sie es bis vor kurzem als Einzige nicht gewusst hat. »Aber jetzt sind Sie nicht mehr bei der Polizei«, hat die Psychologin gesagt, quasi professionelle Gehirnwäsche. »Sie haben Schuldgefühle, aber Sie dürfen nicht versuchen, die Sache auf eigene Faust zu lösen.«
    »Von Faust rede ich nicht«, hat er gesagt, »aber-«
    »Wir reden von absolut gar nichts, Herr Simon. Sonst bringen Sie das Kind nur in noch größere Gefahr. Die Polizei hat die Sache in die Hand genommen.«
    »Haben die Entführer sich überhaupt schon gemeldet?« »Darum wird sich die Kriminalpolizei kümmern.« »Komisch. Normalerweise verlangen die Entführer immer: keine Polizei. Und Sie verlangen genau das Gegenteil: nur Polizei, kein Brenner.«
    »Kein Brenner«, hat die Natalie ernst und mit dieser sicheren Überlegenheit gesagt, die nur Menschen haben, die wissen, dass sie das Richtige tun. Aber merk dir eines für dein Leben. Sicherheit immer Glatteis. Und die Natalie hat den riesigen Fehler übersehen, den sie gerade gemacht hat. Weil das war das erste Mal, wo sie nicht »Herr Simon« zu ihm gesagt hat, sondern »Brenner«.
    Und dem Brenner ist vorgekommen, dass sie ihn damit doch zu den Ermittlungen ermächtigt. Quasi unbewusst.
     

8
     
    Dreißig Stunden nach dem Verschwinden des Mädchens war der Brenner wieder auf freiem Fuß. Draußen hat es

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