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Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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auf das Alkoholfrei-Etikett gezeigt, weil er wollte sich ein bisschen interessant machen.
     
    Die Südtirolerin hat sofort diese weibliche Doppelbelastung auf sich genommen, sprich gleichzeitig den Mund und die Augen arrogant in verschiedene Richtungen verdreht.
    Jetzt bevor sie sich als Ganzes wegdreht, hat der Brenner schnell gesagt: »Ich muss Sie dringend was fragen.«
    Und dann natürlich, ob sie was gesehen hat vor dreiunddreißig Stunden.
     
    Das ist aber wirklich nicht sein Tag gewesen. Oder die Tankstelle nicht sein Ort, dass da vielleicht mit den Wasseradern etwas nicht gestimmt hat. Weil die Frau komplett ahnungslos. Die hat nicht einmal gewusst, was er meint.
    »Aber Sie haben doch sicher im Fernsehen oder in der Zeitung etwas über-«
    »Ich lese keine Zeitung.«
     
    Wenn du so etwas gesagt kriegst von jemandem, der sich gerade eine Zeitung gekauft hat, muss man natürlich schon sagen: verdächtig. Da steht sie vor ihm mit einem Liter Milch, einer Schachtel Marlbooro und einer Zeitung und erklärt: »Die Zeitung ischt für mich nur deprimierend.«
    »Und die haben Sie nur gekauft wegen-«
     
    Mein Gott, früher hätte er gesagt, wegen dem Liebeshoroskop, wegen den Kontaktanzeigen, irgendwas, ist doch ganz egal, irgendeine kleine Frechheit, nicht zu viel Unterton, aber doch ein bisschen, weil wenn du heute eine Frau zum Lachen bringst, bist du schon auf einem guten Weg Richtung, sagen wir einmal, philosophische Gespräche.
     
    »Wegen dem Fernsehprogramm«, hat die Südtirolerin behauptet. »Weil am Freitag ischt immer das Fernsehprogramm dabei. Die Zeitung hau ich gleich ins Altpapier, wenn ich drüben ins Haus hineingehe.«
     
    »Aber fernsehen tun Sie auch nicht«, hat der Brenner gesagt, »nur Programmzeitung lesen.«
     
    Du siehst schon, jetzt ist er doch noch ein bisschen in Schwung gekommen. Natürlich nichts gegen früher, da hätte er ihr schon längst im Altpapiercontainer in ihrem Hauseingang aufgelauert, quasi Vollgas. Obwohl ehrlich gesagt, da hat er seine Vergangenheit oft auch ein bisschen verklärt. Weil in Wahrheit der Brenner nie Vollgas, sondern sogar meistens ein bisschen Rückwärtsgang, oder Handbremse, kaputter Starter, Verteiler hin, Zündkerzen abgesoffen, diese Dinge. Und Ironie des Schicksals, dass der Brenner seine breiten Schultern, die ihm in den Augen der Frauen eine tatkräftige Ausstrahlung verliehen haben, ausgerechnet dem ewigen Anschieben seiner abgestorbenen Lebensrostschüssel verdankt hat.
     
    »Wieso soll ich nicht fernsehen?«, hat die Südtirolerin geantwortet. Weil der hätte auch etwas Besseres einfallen dürfen, aber ich sage immer, Milchtrinkerinnen sind meistens nicht so darauf aus, einem Mann auf seine blöden Bemerkungen eine noch blödere zurückzugeben. Sondern eben ganz sachlich, wie ein Südtiroler Gebirge, das sich fragt, warum es nicht in das Tal hinunterschauen soll, fragt sie, wieso sie nicht fernsehen soll.
    »Sonst müssten Sie ja im Fernsehen etwas mitgekriegt haben von der Kindesentführung direkt bei Ihnen vorm Haus.«
    »Ma dai,
der Schnellste bischt du aber nicht«, hat sie geseufzt. »Das war ein Witz! Seit gestern rufen die Zeitungen ununterbrochen bei mir an, die Polizei war zwei Mal da, ich kann keinen Schritt mehr gehen, ohne dass jemand fragt, ob ich was mitgekriegt hab! Nur weil ich zufällig an dem Tag nach meinem Einkauf rechts um die Zapfsäule gegangen bin statt links herum, wie ich normalerweise gehe.«
    »Das ist natürlich verdächtig.«
    »Genau. Weil mir nämlich dein blöder Karren im Weg gestanden ischt, wie ich die leeren Flaschen in den Container werfen wollte. Und dadurch bin ich auf das Scheißüberwachungsvideo gekommen.«
    »Und?«
     
    »Ich werde dir ein Geheimnis verraten. Auch wenn du deswegen einen Psychiater brauchst. Willst du es hören?« »Ich werd's schon aushalten.«
    »Ich mag keine Autos. Ich hab deinen Protzschlitten nicht einmal gesehen, obwohl du ihn so breit hingestellt hascht, dass man nicht vorbeigekommen ischt. Erst auf dem Video hab ich deine Schüssel überhaupt gesehen. Obwohl ich einen Kilometer rundherum gehen hab müssen. Sonst wäre ich ja gar nicht hinaufgekommen.«
    »Hinauf? Wo hinauf?«, hat der Brenner gefragt. »Auf der Tankstelle ist alles flach.«
    »Auf das Video!«
    Der Brenner hat sich wahnsinnig gefreut, dass sie auch nicht kapiert hat, dass das ein Witz war. »Es ist nicht mein Auto. Ich bin nur der Chauffeur.«
    Die Südtirolerin hat ihn angeschaut, als wäre das kein

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