Der Briefwechsel
Der Spiegel , 8. Oktober 1979. Dort heißt es: »So feierlich, so selbstgewiß und so unverhohlen bedeutungsträchtig wie dieser Handke schreibt heute keiner, und das unstillbare ›Bedürfnis nach Heil‹ ist – ausschließlicher als je – sein Trauma, Thema, innerster Antrieb zur Kunst-Produktion.« Peter Hamm, Vorläufige Wiedergeburt , in: Die Zeit , 5. Oktober 1979, schrieb: »Der Erleuchtungs- und Erlösungszauber, der jenen Sorger, der aus der Kälte des allein auf sich gestellten Bewußtseins kam, zum Ende dieser ›Langsamen Heimkehr‹ in eine feierlich-fromme Teilnahmefähigkeit entläßt, hat – das soll keineswegs verschwiegen werden – auch etwas Aufgesetzt-Abtraktes, so als müsse da eben ein einmal aufgestelltes Programm erfüllt werden.«
381 [297; Rundbrief an die Autoren des Suhrkamp Verlags]
Frankfurt am Main
10. Oktober 1979
Lieber Peter,
am Dienstagvormittag überraschte mich Günther Busch mit der Nachricht, daß er den Suhrkamp Verlag verlassen und die Leitung des Lektorats der Europäischen Verlagsanstalt übernehmen möchte; heute entschieden wir gemeinsam, seinen Austritt beim Kritikerempfang während der Buchmesse bekanntzugeben. Günther Busch hat 16 Jahre lang die »edition suhrkamp« redigiert und ihr besonderes Prestige geschaffen. Der Verlag schuldet ihm Dank. In den letzten Jahren mußte er, wie wir alle, erfahren, daß die »edition suhrkamp« als Reihe von Monat zu Monat in ihrer Resonanz, in der Verbreitung und im Umsatz rückläufig ist. Und wir alle wußten, daß diese Entwicklung, wenn wir sie nicht ändern konnten, zwangsläufig zu einem Einbruch führen mußte. Über Änderungen in der Konzeption hatte ich mit Günther Busch manches Gespräch. Für mich war klar, daß wir nach Band 1000 die Chancen eines Neubeginns wahrnehmen und eine »Neue Folge« versuchen sollten, die an die ursprüngliche Konzeption der Reihe anknüpfte; sie sollte, ohne Abstrich an wichtiger kritischer Theorie, sich wieder mehr der jüngeren, insbesondere deutschsprachigen Literatur widmen. Günther Busch brachte in unseren Gesprächen Verständnis für meine Haltung auf, so wie ich für ihn Verständnis habe,wenn er jetzt nach den ersten Sitzungen der durch neue Lektoren verstärkten »edition suhrkamp«-Redaktion der Auffassung ist, daß er dieses Neue, diese Literatur nicht machen, sondern »seine Sache weiterstricken möchte« – dies seine Worte. Günther Busch geht. Die »edition suhrkamp« wird in der »Neuen Folge« neue Wirkungen entfalten. Jüngere, der
382 neuen Literatur verbundene Lektoren, werden ihr Programm denken. Wir werden es, wie vorgesehen, im Frühjahr 1980 ankündigen. Der Text unserer Pressemeldung liegt hier an. Ich weiß, was den Verlag, weiß, was mich persönlich erwartet. Eine meiner Erfahrungen der letzten 20 Jahre ist es ja, daß ich als Verleger nicht so sehr an den Büchern, die wir verlegen, gemessen werde, sondern an Mutmaßungen und Prophezeiungen über das, was ich wohl vorhaben könnte. Nicht anders wird es jetzt sein. Es wird in der »Neuen Folge« der »edition suhrkamp« kein Wechsel von Positionen oder Tendenzen stattfinden – aber dies wird wieder prophezeit werden. Wir werden das gelassen hinnehmen, eben von jahrzehntelangen Tat-Sachen unserer Bücher überzeugt. Die Tendenz eines Verlages wie Suhrkamp wird ja nicht so sehr von uns, die wir den Verlag machen, sondern vielmehr von den Autoren bestimmt, die jene Bücher schreiben, die wir verlegen.
Und ich selbst kann und will auch gar nichts anderes machen als das, was ich nun schon seit 20 Jahren verantwortlich zu realisieren versuche.
Du kennst mich ja!
Herzlich
Dein
[Siegfried Unseld]
[Anlage; Pressemitteilung des Suhrkamp Verlags]
Günther Busch, seit 1963 Redakteur der »edition suhrkamp«, wird nach Abschluß seiner Arbeit an den ersten tausend Titeln der edition suhrkamp den Suhrkamp Verlag verlassen und die Leitung des Lektorats der Europäischen Verlagsanstalt übernehmen.
Der Suhrkamp Verlag, Autoren, Mitarbeiter und der Verleger bedauern das Ausscheiden von Günther Busch, der
383 der »edition suhrkamp« großes Ansehen geschaffen hat. Die »edition suhrkamp« wird, wie angekündigt, mit einer »Neuen Folge« fortgeführt, die in deutlicher Kontinuität zu den bisherigen Positionen kritischer Theorie und innovatorischer Literatur stehen wird. Das Programm der »Neuen Folge« wird im Januar 1980 bekanntgegeben, die ersten 20 Bände werden im Mai 1980 ausgeliefert
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