Der Briefwechsel
Du dann mit Deiner neuen Arbeit beginnen magst – Ich habe hier »Bécon-les-Bruyères« ein wunderbares Buch.
Der Fasten-Rhythmus hat sich eingestellt und mit ihm Ruhe, Entspannung und Meditation. Ein gutes Lebensgefühl insgesamt.
Für das Neue Jahr habe ich den Wunsch, wir möchten uns bald sehen und sprechen. Wie sehen Deine Januar-Wochen aus? Möchtest Du nicht für ein, zwei Tage nach Frankfurt fliegen, Burgel Zeeh besorgt Dir jederzeit ein Ticket, Anruf genügt.
Dir, lieber Peter, herzliche Grüße
von Deinem Siegfried
478 P. S.: Fellinger konnte ich zu 14 Tage Urlaub »überzeugen«!
1
S. U. hielt sich vom 1.-15. Dezember 1984 in der Kurklinik Buchinger in Überlingen auf.
[375; handschriftlich]
[Salzburg]
6. Dezember 1984
Lieber Siegfried,
ich habe schon daran gedacht, Dich auf Boves »Bécon-les-Bruyères« aufmerksam zu machen, weil ich es in Form und Thema für eine Einmaligkeit und Kostbarkeit halte; und nun hast Du mir selber dazu geschrieben. Dieser Brief hat mich sehr gefreut.
Ich hatte überlegt, das Büchlein ein paar Leuten zu Weihnachten zu schicken. Nun habe ich aber von Fellinger nur ein Vorausexemplar bekommen, das ich gleich weitergegeben habe. Wäre es möglich, mir, meinetwegen als Zollpaket, bis etwa 17. 12. 20 Exemplare zukommen zu lassen? Ich danke im voraus. 1
Gerade habe ich »Une jeunesse« (Eine Jugend) von Patrick Modiano beendet, auch um frei zu sein für die Arbeit, die mir im Frühjahr winkt (eine Sache mit Namen »Die Wiederholung«). Raimund Fellinger ist gerade nicht da, aber ich möchte den Text doch loshaben. Soll ich ihn schon abschicken, und an wen? Dein Sohn kennt das französische Buch und könnte die Übersetzung zumindest einmal in Empfang nehmen. Eile ist keine; auch Fellinger kann sich wohl Zeit nehmen bis zum März. 2
Ich bin neugierig, wie Dir »Der Idiot des Südens« von Wal
479 ker Percy zusagen wird. Ich glaube, ich habe die geheimnisvolle Geschichte doch ein bißchen aufstrahlen lassen, zumindest empfinde ich eine gewisse Klarheit und Form, die beide erst gesucht werden mußten. 3
Hier ist Rauhreif, aber im Haus ist es warm, und die Leute reden über den Schnee, der nicht da ist.
Schön wäre es, könnten wir beide wirklich einmal gemeinsam nach Bécon-les-Bruyères gehen; eine Vorstellung von Namenlosigkeit und Freiheit.
Herzlich,
Dein Peter
1
Am linken Rand dieses Abschnitts ist handschriftlich notiert: »erl[edigt]«.
2
Patrick Modiano, Eine Jugend . Deutsch von Peter Handke, erschien am 19. September 1985 im Hauptprogramm.
3
Die Übersetzung von Walker Percy, zunächst mit dem Titel Der letzte Edelmann , entstand zwischen dem 9. Oktober 1983 und dem 17. Mai 1984.
[376; Anschrift: Salzburg]
Frankfurt am Main
20. Dezember 1984
Lieber Peter,
hab Dank für Deinen Brief vom 6. Dezember. Ich war abwesend, aber Frau Zeeh hat Dir die Bücher schon zukommen lassen, und ich hoffe auch, Du hast sie inzwischen erhalten.
Der Umbruch des Buches »Der Idiot des Südens« liegt nun vor, ich möchte ihn während der Weihnachtstage lesen, ich bin schon sehr gespannt. Wir haben für das Sortiment sogenannte Leseproben gemacht, auch von dem Percy-Buch, ein Exemplar geht mit getrennter Post gleichzeitig an Dich
480 ab. Du wirst sehen: wir haben eine Umschlaglösung gefunden, die auch Dir gefallen wird, jedenfalls sind wir hier ganz angetan davon. Und beachte bitte das schöne Blau!
Es wäre schön, wenn wir uns im Januar irgendwo wiedersehen könnten.
Herzliche Grüße und gute Wünsche Dir und Amina,
Dein
[Siegfried Unseld]
481 1985
[377; handschriftlich]
[Salzburg]
3. Januar 1985
Lieber Siegfried,
es tut mir wirklich gut, was Du mir vom Bodensee aus über meine Übersetzerarbeit geschrieben hast. Das Übersetzen ist ja nicht das Zeichen, unter dem ich angefangen habe, aber ich denke, daß es nun kräftig dazugehört und daß es mir bei den eigenen Zeichen hilft. Jedenfalls habe ich an jedem Morgen, wo mir ein Übertragen bevorsteht, das Gefühl einer sicheren Richtung und eines schönen Tuns. Bei der Arbeit an den eigenen inneren Ländereien ist dieses Gefühl ja sehr schwankend, die Richtung oft nah am Verschwinden. Trotzdem werde ich mich bald wieder entschlossen verirren. 1
Nimm es mir bitte nicht übel: der Umschlag zu Walter Percys »Der Idiot des Südens« stößt mich ab. Die Schrift sticht mir in die Augen, ohne daß ich sie lesen kann. Das Bild ist geheimnistuerisch, ohne ein Geheimnis zu haben. Das Blau ist
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