Der Briefwechsel
eigenen Autoren in Publikationen des Verlags – Handke war wiederholt deren Opfer – gefährdete das Fundament des Hauses: Deshalb trennte sich Unseld vom Kursbuch .
Genauso setzte es Unseld zu, wenn »seine« Autoren Bücher in anderen Verlagen publizierten: Er empfand dies, und der Briefwechsel mit Handke zeigt es erneut und deutlich, geradezu als Verrat, gefährdete solches »außerhäusiges« Veröffentlichen doch das Verlagsprinzip. Bedauerte er 1967 noch das Erscheinen der Handkeschen Erzählungen Begrüßung des Aufsichtsrats im österreichischen Residenz Verlag, setzte ihm die Veröffentlichung von Wunschloses Unglück an diesem Ort schon stark zu – und die Verstimmung, ja der Abbruch der Kommunikation mit dem Autor folgte bereits der Ankündigung jeder weiteren Publikation im Salzburger Verlag, sei es der »Journale«, sei es von Prosa. Auch wenn diese Bücher später als suhrkamp taschenbuch erschienen – jedes einzelne von ihnen stellte für ihn einen gravierenden Bruch in der Beziehung zu Handke dar.
Die »kritische« Haltung zum Bestehenden wandte sich 1968 gegen Verlag und Verleger: Der bereits angesprochene und Unseld bis zu seinem Lebensende prägende »Aufstand der Lektoren«, durch den im eigenen Haus die Hierarchien abgeschafft werden sollten, indem dem Verleger nur eine Stimme unter denen der Lektoren zugebilligt wurde, erreichte sein Ziel nicht. Allerdings brachte er die Gründung eines Konkurrenz-Theaterverlags mit sich, zu dessen Gründungsmitgliedern, wie erwähnt, Peter Handke zählte. Die Auswirkungen dieses Mittuns eines der Autoren in einem anderen Verlag sind im Briefwechsel nicht von untergeordneter Bedeutung.
Im Unterschied zu Unseld geht Handke davon aus, daß die
737 Beziehung Autor–Verleger »von Natur aus kein Freundverhältnis« (S. 742) ist. Dies deshalb, weil »das Recht auf meine Sachen, meine Lebenssachen, durch die Verlagsverträge mir nichts dir nichts flöten geht« (S. 26). Das erklärt die Meinungsverschiedenheiten und Spannungen zwischen beiden, jedoch nicht, warum die Differenzen mindestens zweimal Handke »fast« dazu brachten, den Verlag zu verlassen. Eine der Situationen beschreibt er selbst in der Dankrede zur Entgegennahme des Siegfried Unseld Preises (siehe S. 738ff.): Der 1994 nach der Veröffentlichung von Mein Jahr in der Niemandsbucht geschriebene Austrittsbrief wurde nicht abgesandt. Mehr als zehn Jahre vorher, am 25. Februar 1981, sandte er einen solchen Brief jedoch ab – der Entschluß, den Verlag zu verlassen, wurde allerdings nicht umgesetzt (siehe Briefe 329-333).
Diese und weitere Konfliktsituationen sind charakterisiert durch die gleiche Grundkonstellation: Handke hat, in wochen- und monatelanger Arbeit, ein Manuskript niedergeschrieben, in dem er, wie immer, aufs Ganze gegangen ist; nun lesen Verleger und Lektor, und der Autor brennt naturgemäß darauf, zu erfahren, welchen Eindruck die neue Prosa, das neue Stück macht. Jede Komplikation in diesem Stadium – sei es, daß ein noch nicht abgeschlossenes Stück an eine breitere Öffentlichkeit gelangt, sei es, daß der Bericht über die Leseeindrücke zu lange auf sich warten läßt, zu unachtsam erscheint – irritiert Handke: Bedeutet dies, so fragt er sich, das neue Werk ist nicht gelungen?
Auf dem Weg von der Fertigstellung der ersten Niederschrift eines neuen Buches bis zu dessen Korrektur, Druck, Bindung, Auslieferung an Käufer und Rezensenten herrscht bei ihm die allerhöchste Konzentration; und glaubt er die bei seinem Gegenüber im Verlag nicht zu erkennen, etwa beim ungenauen Ausführen von Korrekturen, verfehltem Versand von Rezensionsexemplaren, fühlt er sich und seine
738 Arbeit mißachtet. Erst Wochen nach der Veröffentlichung tritt eine gewisse Akzeptanz des Faktischen ein – dann war (und ist) Peter Handke bereits mit den Vorarbeiten zu einem neuen Buch beschäftigt.
Solche Konzentration ist mitursächlich für die Angespanntheit, die den Briefwechsel zwischen Peter Handke und Siegfried Unseld grundiert. Die gewichtigste Ursache dafür ist das Schreiben von Peter Handke: Nur die Literatur, die Phantasie, die Erzählung ist in der Lage, einen Zusammenhang zwischen den Menschen herzustellen, einen Vorschein von Glück und (vielleicht) gelingendem Augenblick, Tag oder gar Leben zu entwerfen. Jede Unachtsamkeit im Umgang mit der Poesie beschädigt das Leben, die in ihm existierenden Möglichkeiten – folglich ist, pointiert formuliert, das falsche Komma ein
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