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Der Briefwechsel

Der Briefwechsel

Titel: Der Briefwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Peter-Unseld Handke
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Anschlag auf die gesamte Existenz des Gegenübers.
    Siegfried Unseld war nicht nur in die Beziehungen zu Autoren eingebunden, er beschäftigte sich mit ihnen auch in historisch-systematischer Perspektive. Vor allem in Goethe und seine Verleger untersuchte er das Verhältnis auf seine Symmetrie oder Asymmetrie: Im Briefwechsel mit Peter Handke war die Relation eindeutig. Siegfried Unseld beschloß am 17. August 1986 einen handschriftlichen Brief mit dem Satz: »Ich bin glücklich, Dein Verleger sein zu dürfen, gönne es mir weiterhin.«
    Und dennoch: »Glücklich« ist ein in diesem Briefwechsel häufig verwendetes Wort: Peter Handke, so berichtet Siegfried Unseld, habe bei der Übergabe des ersten Exemplars von Der Chinese des Schmerzes gesagt, er sei »glücklich«, daß »ich eigens [gekommen sei], um ihm das Buch zu bringen« (S. 457). Im Mai 1985 schrieb Unseld an Handke: »Dein Brief vom 13. Mai hat mich glücklich gemacht« (S. 490).
     
    739 Vom Singular und vom Plural – Die Rede von Peter Handke zur Verleihung des Siegfried Unseld Preises am 28. September 2004 im Holzhausenschlößchen in Frankfurt am Main
     
    Als erwogen wurde, daß diese Preisverleihung öffentlich stattfinden sollte, und ich mich erfolgreich dagegen gewehrt habe, wurde dann bemerkt: privat, das hieße doch, es könne auch festlich sein. Vielleicht, je privater, desto festlicher. Und so sind wir, Verlegerin und Autoren und Verlagsmitarbeiter, nun hier im Holzhausenpark so privat wie festlich versammelt. Ich habe mir dazu sogar in Paris einen neuen Anzug gekauft und eine Krawatte und Schuhe von John Lobb.
     
    Ich habe Schwierigkeiten, Mittelpunkt eines Festes zu sein. Dazu fällt mir eine Bemerkung Goethes, zu Kanzler Müller, ein, als der Dichter einmal sehr krank war. Das war nicht lang vor seinem Tod, und in seinem Haus war an ein Fest gedacht, er war ja ein Mann der Feste, er als Mittelpunkt, und vielleicht auch verschwunden im Mittelpunkt. Goethe konnte also nicht teilnehmen, und danach sagte er ungefähr zum Kanzler: »Ach, hoffentlich habe ich euch mit meinem Kranksein nicht das Fest verdorben.«
    Vor ein paar Tagen war meine Tochter auf einem Fest, einem Tauffest in einem Nachbarvorort. Und ich stellte mir mein Kind im Garten vor, mit anderen Kindern beim Fest, und die Vorstellung: ich allein in meinem Garten und das Kind in einem anderen Garten beim Fest, das war mir Fest genug. Der ganze Tag ist für mich ein Fest, wenn andere die Feste feiern.
     
    Ich wollte ein paar Fragmente äußern zu dem Verhältnis Verleger – Autoren. Keine Dithyrambe anstimmen, sondern erzählen von meinen kritischen Momenten, so daß
740 vielleicht diese Momente, indem sie erzählt werden, das Blatt freimachen für die großen Momente, die über das Kritische hinausgehen.
    Es gab Perioden in meinem Schreiber-Leben, die nicht gerade Krisen waren mit Siegfried Unseld, als dem Verleger, aber vielleicht doch Übergänge, Engstellen, Furten, Schwellen.
    Als die erste Periode erscheint mir jetzt die Zeit, da ich sehr jung war, etwa von 1965 bis vielleicht 1972. Eine Zeit, da, vielleicht auch dadurch, daß ich die Jugend in Österreich verbracht habe, die Sprache, das Sprechen, das Sein, das Sichgeben hier in Deutschland mich befremdeten. Ich brauchte sieben Jahre, um – wie man in der Umgangssprache sagt – »warm« zu werden mit Siegfried. Es war eine Zeit der Befremdung. Sogar, als ich meine ersten sogenannten Erfolge hatte, mit Kaspar oder Die Angst des Tormanns beim Elfmeter , war eine Distanz da, von der ich mir inzwischen einbilde, ich sei der Verantwortliche gewesen, indem ich mich nicht habe wahrnehmen lassen. Ich bildete mir freilich damals ein, vom Verleger nicht wahrgenommen zu werden. Inzwischen denke ich, man müsse sich auch wahrnehmen lassen – und dann erst komme die Wahrnehmung durch den anderen.
    Das hat sich dann geändert. Zum ersten Mal fühlte ich mich von Siegfried Unseld wahrgenommen, als ich allein lebte in Kronberg im Taunus mit meinem Kind. Da kam er manchmal am Abend und hat »nach mir geschaut«. Zum ersten Mal sah ich mich da gesehen, wenn auch zunächst in einer skeptischen, in einer fragenden Weise: »Was machst du da allein, so weit weg von den Städten? Ein Schriftsteller gehört in die Städte oder gehört unter die Leute«, und so fort. Aber gerade dieser skeptische Blick, dieses bedenkliche Angeschautwerden hat mich für den Verleger geöffnet. Belebend: Zum erstenmal durch diesen
741 besonderen Menschen

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