Der Briefwechsel
würde sich der Beatles-Text doch sehr gut ausmachen. 1
Ror Wolf, der mit Protest aus dem Heinrich Heine Verlag, der Redaktion der »Streit-Zeit-Schrift«, ausgetreten ist, wird gerne an der Zeitschrift mitarbeiten. 2
Herzliche Grüße
Dein
[Siegfried Unseld]
1
Dichten und Trachten wurde 1968 eingestellt; 1969 erschien kein vergleichbares Werbemittel des Verlags; zum Nachfolgeorgan siehe Brief 130, Anm. 1.
2
Die Streit-Zeit-Schrift erschien seit 1956 als Vierteljahresschrift; mit Heft 1/1979, Redaktion: Horst Bingel und Ror Wolf, stellte sie ihr Erscheinen ein.
111 [82]
Berlin
29. März 1969
Lieber Siegfried,
seit einer Woche hämmere ich ziemlich heftig auf der Maschine herum. Ich arbeite an einem kurzen Roman oder an einer langen Erzählung, für den oder die ich schon seit einem Jahr Vorarbeiten machte, »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter«.
Es ist eine ganz andre Prosa, ziemlich straight, eine richtige Handlung, eins nach dem andern. Nach den Erfahrungen, die ich bis jetzt mit Sätzen gemacht habe, glaube ich, so durchsichtig schreiben zu können, daß ich auch wieder eine richtige Geschichte schreiben kann und daß man trotzdem merkt, daß das alles Sätze sind.
Es ist ein ganz neuer Anfang. Es macht mir Spaß, aber ich bin ziemlich müde und nervös. Es sollte so eine ähnliche Sache werden wie »Der Fremde« von Camus, aber ohne diese existenzielle Attitüde, ganz klar und einfach.
Inzwischen habe ich auch einigen Filmleuten geschrieben. Der vielleicht beste Filmkritiker in Deutschland, Herbert Linder, hat mir geschrieben, er würde gern was mitprojektieren, eine andre Art des Artikelschreibens etc. Es wäre sehr gut, könntest Du diesen Mann gewinnen. Ich schicke Dir den Brief mit, schick ihn mir bitte zurück. Und schreib Herrn Linder, was seine Funktion dabei sein könnte. Bis jetzt ist er einer der 3 Redakteure bei der Zeitschrift »filmkritik«. 1
Auch Urs Jenny würde wohl …, ebenso Ernst Wendt, er sagte mir zu, wenn er in andrer Form schreiben könnte als der artikelmäßigen. Herbert Gamper, ein Schweizer, wollte auch. Er versteht, äußerst subtil und unfeuilletonistisch umzugehen mit neueren Texten, weiß in der neuen Musik
112 noch mehr Bescheid und hat über Jean Paul promoviert statt über Martin Walser. 2 Seine Adresse ist Zürich, Frankengasse 16. Er wäre sehr wichtig.
Ich bin heute ziemlich müde, habe Kopfschmerzen. Danke für Deinen schönen letzten Brief. Und für das HermannHessePeterSuhrkampBuch – sogar damals haben sich die Autoren fast nur um Auflagen und Nachdrucke gekümmert, es ist auch das wichtigste. 3 Ich hätte, ehrlich gesagt, auch gern einmal einen Minibestseller, nicht wegen des Honorars, sondern damit mehr Leute was bemerken.
Herzlich
Dein Peter
| Libgart geht es gut. Das Kind müßte in 3 Wochen da sein |
1
Am 22. März 1969 schrieb P. H. an Herbert Linder: »[…] der Suhrkamp Verlag plant, eine Zeitschrift zu machen, die sich in Theorie und Praxis mit Theorie und Praxis ästhetischer Äußerungen befassen soll. Aus der Spannung zwischen der Lust und Neugier, sich zu äußern, und der Unlust, sich bei diesen Äußerungen gegebener Modelle bedienen zu müssen (vor allem beim Schreiben über etwas …) könnte diese Zeitschrift entstehen. Ich schreibe Ihnen so einen Brief, weil ich das, was Sie über Filme und die Erfahrungen, die man damit machen kann, schreiben, immer mit Neugier und am Ende manchmal neuen Erfahrungen lese. Die Zeitschrift sollte die sehr persönliche Zeitschrift jedes einzelnen sein, der sie macht. Wenns nach mir ginge, wäre sie radikal ästhetizistisch, meinetwegen eine Art von Elfenbeinturm, weil ich meine, daß man dabei noch am ehesten konkret, genau und informativ schreiben kann und sich nicht dauernd fertiger Sätze bedienen muß.« Herbert Linder antwortete P. H. brieflich am 23. März 1969: »Ja, ich habe schon Lust, oder ich könnte Lust haben, an dieser Zeitschrift mitzuwirken, wenn es die Arbeit für mich gibt, die zu tun mich gerade verlangt. Als Reaktion auf vier Jahre Beitragslieferantentum (Kampf gegen bestellte Artikel, Kampf um den Platz für unbestellte Artikel) interessiert es mich jetzt mehr, an einer Zeitschrift mitzuwirken als nur noch in guter Hoffnung
113 Manuskripte hinzuschicken. Die augenblickliche Situation der Filmpublizistik ist so blödsinnig, daß man für einen halbwegs interessanten Artikel erst den Platz in einem Urwald roden muß. Wenn ein Regisseur für seinen Film keinen
Weitere Kostenlose Bücher