Der Briefwechsel
meinen größeren Prosa- + Gedichtvorhaben weiter ein Suhrkamp-Autor bleiben – nur dieser Fall ist eine Ausnahme wert. Ein Lizenzvertrag, wenn Du das überhaupt interessant findest 1 , wäre ja noch denkbar. Aber wir können noch genauer darüber reden. 2
Heute abend fahre ich nach Österreich zu der Gerichtsverhandlung (15. 2.) wegen der Geschichte im Grazer Herbst. Hoffentlich geht es so halbwegs, meine Gegner sind Polizisten, und da ist jede Aussage ja von vornherein ziemlich hoffnungslos. 3
Also bis 18.
Herzlich
Dein Peter
+ viele Grüße an Deine Frau.
1
Im Original statt »findest«: »ist«.
2
P. H., Wunschloses Unglück , erschien 1972 im Residenz Verlag. Der ursprüngliche Titel lautete: »Interesseloses Entsetzen / Eine Biographie«. Mitte Januar begann P. H. mit der Niederschrift einer Erstfassung, Ende Februar 1972 existierte ein 91 Blatt starkes, zweizeilig getipptes überarbeitetes Typoskript mit dem Titel »Interesseloser Überdruss« (siehe LaSa, Bestand Residenz Verlag, Handke, Peter).
3
Bei einer Lesung von P. H. im Rahmen des Steirischen Herbst 1971 in Graz kam es zu einer Auseinandersetzung mit einem Polizisten, der P. H. nicht in den überfüllten und deshalb gesperrten Veranstaltungssaal lassen wollte. »Als ihn der Polizist fragte, was er wolle, antwortete er: lesen. Darauf dieser: ›Wenn du lesen willst, dann geh ins Kaffeehaus!‹ Der darauf entstandene Tumult führte zu einer Gerichtsverhandlung wegen Amtsehrenbeleidigung.« (Adolf Haslinger, Peter Handke , S. 130) Das Urteil: sechs Monate auf Bewährung.
226 [177; Anschrift: Kronberg]
Frankfurt am Main
6. März 1972
Lieber Peter,
ich höre, Du fährst am 10. März nach Paris. 1 Könnten wir uns noch vorher sehen? Bitte, rufe doch einmal an, damit wir etwas vereinbaren können.
Herzlich
Dein
[Siegfried Unseld]
1
P. H., Gaspard , übersetzt von Thierry Garrel und Vania Vilers, war 1971 im Verlag L'Arche erschienen; P. H. besuchte eine Aufführung des Stücks im Centre International de Recherche Théâtrale, Paris.
[178; handschriftlich; Briefpapier des Hotel Ritz, Paris]
Paris
10. März 1972
Lieber Siegfried,
dieser Brief als Pointe [?] für irgendein Fischsuppenessen …
Dein Peter
[179; Anschrift: Kronberg; Telegrammnotiz]
Frankfurt am Main
13. März 1972
Erbitte Anruf sogleich nach Rückkehr. Herzlich
Siegfried Unseld 1
1
227 S. U. verzeichnete in der Chronik für den 14. März 1972 einen Besuch bei P. H. in Kronberg; für den 17. März ein Fischsuppenessen in der Klettenbergstraße 35.
[180; Anschrift: Kronberg]
Frankfurt am Main
11. April 1972
Lieber Peter,
ich fahre für ein paar Tage weg, und wenn ich wieder zurück bin, nehme ich an, daß Du wieder auf der Lesereise sein wirst. Ich weiß, daß diese Reise strapaziös für Dich werden wird, aber ich bin ebenfalls sicher, daß die Buchhändler Dich sehr herzlich erwarten. Ich habe jetzt gerade wieder Dortmunder Buchhändler besucht, die Dein Buch mögen und sich kräftig dafür einsetzen. 1
Ich erhielt eben einen Brief von Enzensberger, in dem er mir schreibt: »Dann Handke: Bisher sein bestes Buch. Ich habe mich riesig darüber gefreut, daß er es zum ersten Mal riskiert hat, von etwas zu erzählen, was nicht nur in seinem Kopf ist …« Ich hoffe, Dich freut dieses kompetente Votum.
Also lieber Peter, mache es gut. Gib auch mal einen Zwischenbericht, und noch lieber wäre es mir, Du würdest einmal nach dem 20., wenn ich wieder hier sein werde, anrufen, damit wir wenigstens am Telefon sprechen können.
Herzliche Grüße
Dein
(Herr Dr. Unseld ist nach dem Diktat verreist) 2
i. A. Steinsiek
1
P. H. las zwischen dem 10. April 1972 und dem 10. Mai 1972 an 24 Orten aus Der kurze Brief zum langen Abschied : Soest, Werl,
228 Lemgo, Osnabrück, Wolfsburg, Braunschweig, Lübeck, Heide/Holstein, Itzehoe, Elmshorn, Göttingen, Essen, Münster, Mönchengladbach, Krefeld, Recklinghausen, Darmstadt, Mainz, Regensburg, Straubing, Konstanz, Tübingen, Würzburg und Heidelberg. Bereits am 20. März 1972 hatte er im Theater am Turm im Rahmen einer Gemeinschaftsveranstaltung von Suhrkamp Verlag und Buchhandlung montanus zum ersten Mal öffentlich aus dem neuen Buch gelesen.
2
S. U. machte zwischen dem 10. und 17. April Ferien in St. Moritz.
[181; Anschrift: Kronberg]
Frankfurt am Main
28. April 1972
Lieber Peter,
anbei der erste Band der »Stücke I « in der Taschenbuchausgabe. Ich finde, die Sache sieht gut und nobel aus.
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