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Der Brombeerpirat

Der Brombeerpirat

Titel: Der Brombeerpirat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Pinki oft hart zugesetzt. Eifersucht, klar, es war lächerlich, Jasper war ein alter Kerl, das würde nie dasselbe sein wie eine Freundschaft, die schon seit dem Kindergarten zählte. Doch es tat weh. Nicht zuletzt, weil es schon irgendwie toll war, einen Mann wie Jasper für sich allein zu haben. Er sah gut aus, ein wenig alt, aber wie ein Musiker eben. Nicht so korrekt wie ihr Vater mit seinem kurzen, dünnen Haar und der silbernen Brille. Jasper hatte irgendwie gar keine Frisur, dafür aber Haare, durch die man schon ganz gern mal streicheln wollte, und Bartstoppeln. Pinki fand Bartstoppeln nicht schlecht, sie sollten aber hart und kratzig sein wie die Borsten einer Drahtbürste, nicht so weich und fusselig wie die Watte in Wilkos Bubigesicht. Das Tollste an Jasper waren seine Zähne. Schon irgendwie komisch, normalerweise achtete man doch zuerst auf die Augen, so stand es jedenfalls in der Bravo. Klar, Jaspers Augen waren auch nicht schlecht, sie waren dunkel und groß, ein wenig traurig sahen sie aus, doch sein Mund lächelte, immer. Und dann blitzten seine weißen Zähne, und sie musste immer an Kaugummiwerbung denken. »Wenn er weint, sieht er noch schöner aus«, hatte Leefke mal gesagt. Doch das hatte Pinki ihr nicht abgenommen. Vielleicht hatte sie davon geträumt.
    Als die Erwachsenen dann anfingen, sich für das Verhältnis zwischen Leefke und Jasper zu interessieren, da hatten sie alle zusammengehalten. Obwohl die meisten selbst nicht allzu viel davon hielten. Doch die anderen ging es nichts an. Eines Abends hatte Pinki ihrer Mutter fast ein paar gescheuert, als sie ihr das transparente Top verbieten wollte. »Kind, wenn dieser Jasper dabei ist … Man sollte solchen Männern nicht noch einen Anlass bieten, meinst du nicht?« Sie hatte mit den Schultern gezuckt und so getan, als wüsste sie nicht, was ihre Mutter damit andeuten wollte. Dies war immer der einfachste Weg, diesem verlogenen Gerede aus dem Weg zu gehen. Alle dachten, es ginge Jasper um Sex.
    Warum konnte sich keiner vorstellen, dass er ihnen einfach nur helfen wollte? Ihnen allen, nicht nur Leefke. Es ging um Wilko und Jens, um Swantje, um Philip und um sie, um die ganze Clique von der Waldkirche. Und auch um die anderen, die immer an der Post rumgammelten. Konnte es sein, dass die meisten auf der Insel schon vergessen hatten, dass es sie gab? Seitdem Oma Alide den Mund nicht mehr aufmachen konnte, waren alle in ein eisernes Schweigen verfallen. Kein Wort mehr über die Disco, über den Treffpunkt, über die Probleme, die immer dieselben waren. Alle hielten die Schnauze.
    Und was Oma Alide getan hatte, war als »Ruhestörung« zu den Akten gelegt worden. Pinki wusste es. Und es tat ihr unendlich Leid. So viel Lärm für nichts. Und so viel Kraft für wieder nichts. Oma Alides Lebenswerk war im letzten Winter mit ihr gestorben.
    Und der Einzige, der den Mund immer noch nicht halten wollte, war Jasper. Und das nahmen ihm viele hier auf der Insel übel. Da kam ihnen ein bisschen Sex ganz gelegen. Um abzulenken.
    Pinki war nicht dumm. Leefke hatte zwar immer noch ein bisschen weiter gedacht als sie, aber so blöd war sie auch nicht, dass sie nicht verstand, worum es eigentlich ging.
    Es ging um Frieden und Unfrieden.
    Als sie sich umsah, konnte sie es fast nicht glauben, dass es irgendwann einmal wieder unfriedlich sein konnte. Leefkes Tod hatte eine Wahnsinnsruhe unter ihnen ausgebreitet. Keiner von ihnen war heute in der Waldkirche, um abzuhängen. Heute war es anders als sonst. Die dichten Bäume umschlossen sie, und über ihnen stießen die grünen Äste zusammen, sodass es hier beinahe wie in einer wirklichen Kirche aussah. Diesen Aspekt hatte Pinki noch nie erkannt. Sie hatte sich auch noch nie darüber Gedanken gemacht, warum sie sich mit der Clique ausgerechnet hier trafen und nicht woanders. Es war ein Ort der Ruhe, hier waren sie unter sich. Ab und zu kamen ein paar Fremde vorbei, die sich die Napole onschanze anschauen wollten, unter der sie sich sicher etwas Pompöseres vorstellten als diesen mickrigen Wall mit dem Kreuz. Klar, ein paar böse Blicke bekamen sie dann schon ab, wenn sie zum Beispiel auf der Kanzel knutschten oder auf den Bänken die Zigaretten ausdrückten. Doch im Großen und Ganzen war es ihr Ort. Sie hatten sich ihn selbst gesucht.
    Und heute war es wirklich ein Segen, dass ihnen hier niemand Fragen über Leefke stellte oder sie trösten wollte, so wie es Erwachsene taten.
    »Wir sollten ihre Beerdigung hier

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