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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Kesseln zu hören war, ging Jehoumilq zur windabgewandten Seite und schlug sein Wasser ab.
    »Mach uns einen Morgentrunk, Selka«, rief Karidon. »Tu Wein dazu. Wir haben einen feinen Namen für unser feines neues Schiff.«
    »Gut. Viel Wein? Wie soll's heißen?«
    »Wenig Wein. Wir haben's noch nicht.« Karidon lachte. »Den gewaltigen Sonnenaufgang habt ihr verschlafen – so werden wir sie nennen: Auge der Morgenröte .«
    »Hoffentlich schielt euer Auge nicht.« Hesqemari schüttelte den Kopf. »Euch haben die Dämonen von Kush beschädigt. Ein weniger hochtrabender Name ist euch wohl nicht eingefallen?«
    »Ja. Doch. Aber er war zu lang.« Karidon hockte sich aufs Deck und lauschte den Geräuschen des Schiffes. »Das für die Ewigkeit gezimmerte Schiff des tugendhaften Dutzends.«
    Hesqemari tippte an seine Stirn und streute gehackte, getrocknete Kräuter ins Wasser.

    Die stürmische Winterzeit, in der sich alle Schiffe in den Häfen verkrochen, schickte ihre ersten Boten: Im ablandigen Wind eines harten, böigen Gewittersturms liefen sie auf die Hafeneinfahrt Gublas zu. Das Schiff troff, Wasser rann aus dem Segel. Ein auslaufender, dickbäuchiger Lastsegler zwang Ptah und Holx-Amr, den Kurs zu ändern, mitten in den aufeinanderprallenden Brechern zwischen dem tiefen Wasser und dem fünfzehn Ellen flachen Sandgrund der Bucht. Das schwere Segel schlug gegen Tauwerk und Mast, wie ein halbgefüllter riesiger Wassersack, die Horus legte weit nach Backbord über; Holx-Amr fluchte, würgte und stemmte sich gegen die Pinne. Jehoumilq schrie Flüche zum anderen Schiff hinüber und hob die Faust. Der Steuermann in einem bodenlangen Mantel zeigte dem Kapitän grinsend den steifen Mittelfinger.
    Karidon beugte sich über den Bug, Salzwasser lief über sein Gesicht. Er spähte nach Untiefen aus und hörte, durch das Jaulen des Windes und die Laute, mit denen die Wellen gegen den Bug hämmerten, die schroffen Kommandos des Kapitäns. Das Segel, durch das Gewicht schwer zu handhaben, musste herunter; die Riemen lagen bereit. Ein greller, unheilverkündender Laut mischte sich in den Lärm. Karidon klammerte sich an die Bordwand und fuhr herum.
    Scheinbar ganz langsam geschahen eine Kette verhängnisvoller Dinge. Ein Tau riss, ein zweites zerfaserte misstönend; im selben Augenblick, als die zitternde Rah fiel, fuhr eine Bö ins Segel. Die Stämme des Doppelmastes bogen sich, ächzten und knarrten, und die rechte Masthälfte brach in langen Splittern, die über Deck wirbelten. Im Knallen reißender Taue drehten sich Mast und Rahen und hebelten tief im Schiff den Mastfuß aus den Planken. Die Horus der Brandung wurde breiter, Decksplanken lösten sich, Mast und Segel kippten auf Karidon zu. Bevor ihn die schenkeldicken Holztrümmer trafen, schwang er sich über die Bordwand und stieß sich ab. Er tauchte nicht tief, drehte sich im Wasser und sah die berstende Horus an sich vorbeigleiten; ein einziger Wirbel aus Planken, Holzteilen, Krügen, Taustücken, Menschenleibern, Ballen, Kisten und Truhen.
    Ein Teil des Schiffes war vom Segel und den Masttrümmern bedeckt wie von einem zusammengefallenen nassen Zelt. Neben Karidon tauchten Holx-Amr und Jehoumilq auf. Die Strömung des Hafenbeckens sog an ihren Körpern.
    Karidon brauchte nicht erst zu tauchen; das Schiff war über seichtem rotem Sandgrund auseinandergebrochen. Er schob halb eingetauchte Krüge vor sich auseinander und brüllte: »Zum Ufer! Wir brauchen Boote und Taue!«
    Sie schwammen hinter dem treibenden, strudelnden Haufen aus Ladungsteilen und Schiffstrümmern her. Mlaisso, der Ti-Senbi über Wasser hielt, näherte sich von rechts und schrie: »Uns ist nichts passiert! Schwimmt weiter.«
    Schlagartig hatte sich der Hafen belebt. Karidon trat Wasser und schaute sich um. Fischer sprangen in die Boote und ruderten wie wild. Am Rand der Trümmer tauchten zwei Körper auf: Selkara und Hesqemari. Karidon schwamm weiter; als die Wolken die Sonne freigaben und der Wind aufhörte, überholte er Larreto, der mit den Armen über einem Bündel Riemen hing und nur die Beine bewegte.
    Zwei Fischerboote kamen heran. Die Männer halfen Karidon und Ptah an Bord.
    »Fischt das Zeug auf«, rief Karidon. »Unter dem Segel sind noch vier Männer.«
    »Dank euch!« Larreto reichte ihnen die Riemen und kletterte ins nächste Boot. Das Wasser war übersät mit Treibgut aus der Horus . Karidon wartete, bis der Bug des Bootes im Geschlinge aus Stoff, Holz und Tauwerk steckenblieb, ließ sich

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