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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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zwischen den wenigen Hafenarbeitern spurlos untergetaucht. Karidon und Jehoumilq sahen sich an, dann brachen sie in wieherndes Gelächter aus, das die Sänftenträger verwirrte.

    »Halt!« Die Sänftenträger stolperten. Karidon drehte sich um und sah, wie etwa zweihundert Männer die Horus an Land zogen und sie mit blitzenden Werkzeugen umwimmelten wie emsige Ameisen. »Danke. Weiter.«
    Ikhernofret hörte Karidons Bericht an. Ein Diener brachte Lederbeutel voll Gold, ein anderer mehrere Schalen mit eingekerbten Silberplättchen und eine wertvolle Truhe aus Holz und Elfenbein. Der Tatji war aufgeregt; seine Zeit schien knapp zu sein. Nach zwei Stunden entließ er mit einem Kopfnicken die Schreiber und trat auf Karidon und Ptah zu.
    »Ob der Goldhorus Zeit findet, mit euch zu sprechen, weiß ich nicht. Weiterhin: ihr seid unsere Gäste, im weißen Haus, im Gästehaus« – er lächelte zerstreut – »im Palast, bei Prinzessin Hathor-Merit. Sag ihr alles, Karidon, gib ihr die Rollen, die du vollgeschrieben hast. Bestimmt also selbst den Zeitpunkt, an dem ihr nach Gubla fahren und das neue Schiff besteigen wollt. Wegen Handelsware, wie bisher, sprecht mit Cha-Osen-Ra. Auch Sokar-Nachtmin ist beschäftigt.« Er hielt inne und kam zu Karidon. »Die Stunden hetzen einander, junger Freund. Alles rennt und eilt, plötzlich. Ich danke euch sehr. Durch mich dankt Chakaura. Jede Stadt, jeder Hafen steht euch weit offen, jeder Heri-Udjeb-Verwalter – sie werden niederknien vor euch. Chakaura lässt euch sagen, dass er hofft, ihr mögt Millionen und Abermillionen Char edler Bronze ins Hapiland bringen, für die bronzene Zeit des Goldhorus.« Er legte Karidon, dann Ptah die Hände auf die Schultern, sah ihnen in die Augen und murmelte: »Es waren für den jungen Horus sechzehn, siebzehn gute Monde. Er birst vor Stärke. Ach, und ich werde älter und vergesslicher. Amuns Friede mit euch! Lebt wohl.«
    Er lief hinaus. Karidon atmete sehr langsam ein und aus und sagte leise: »Geh du zu Khenso. Ich geh zu Tamahat. Wir treffen uns bei Parennefer.«
    »Wir treffen uns in seinem Häuschen«, sagte Ptah. »Du weißt es nicht? Parennefer, unser greiser Freund, ist tot und in seinem feinen Grab verschlossen.«
    »Ich wusste es nicht. Der Gaufürst, der mit uns die Punt-Fahrt bis zum letzten Wasserkrug geplant hat, war ein ausgezeichneter und liebenswerter Mann. Hoffentlich fährt er auf der Sonnenbarke in sein eigenes, glänzendes Punt.«
    Er spürte, wie seine Augen feucht wurden, nahm Ptah bei den Schultern und suchte den Weg durch Gärten, vorbei an Teichen, bilderstrotzenden Mauern, Standbildern von widderköpfigen Gestalten auf hohen Sockeln, durch schmale Tore und vorbei an grüßenden Gardisten bis zum Innenhof, in dem Tamahat mit Mudnedjemet sprach.
    Die Prinzessin hob den Kopf, rannte auf ihn zu und breitete die Arme aus.

    Am ersten Tag des Mechir, in der kalten Jahreszeit Peret, im Windmond, stieß die Horus der Brandung vom Kai in Men-nefer ab. Ti-Senbi war an Bord. Mlaisso hatte sieben Ruderer beschworen, ihren Unglücksglauben wenigstens bis Gubla zu unterdrücken. Eine Frau an Bord, womöglich eine schöne Frau, bei der einer von der Besatzung lag: so wurde Unheil förmlich heraufbeschworen. Obwohl sich die Ladung bis dicht unter die Ruderbänke stapelte, schien das Schiff merkwürdig leicht. Nur das mutige Dutzend und eine Frau; es gab Platz genug, wie vor eineinhalb Jahren. Fünf Riemen auf jeder Seite arbeiteten, schoben das alte Schiff in die Strömung und wurden verzurrt, als der Hapi das Schiff mit sich sog. Karidon stand am Steuerbordruder, neben Holx-Amr; er sagte sich, dass in Gubla auch für die Bronzehändler ein vielversprechender Abschnitt der Zeit begann. Er dachte an Tamahats Tränen und ihre verzweifelte Gier in der letzten, langen Nacht, an Gepardenaugen und die Goldkette um ihre schmalen Hüften. Er hob den Kopf und starrte, blicklos, geradeaus.

15. Das Auge der Morgenröte

    Der Blick aus dem kühlen Saal ging zwischen goldfarbenen Säulen in den Garten hinaus. Abendwind bewegte die Leinenvorhänge; der Raum war durchflutet von vielfachen Düften aus Balsamdosen, Duftölkrügelchen und Blüten, die in Schalen voller Wasser schwammen. Karidon strich mit der Fingerspitze über seinen Nasenrücken, wich Tama-Hathor-Merits Blick aus und begann, zwischen dem Ausgang zur Terrasse und der Liege hin- und herzugehen. Er blieb vor der Prinzessin stehen; sie saß mit übergeschlagenen Beinen im Sessel und

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