Der Bronzehändler
musterte ihn über den Rand der Trinkschale hinweg.
»Zwar führen Jehoumilq und ich das Schiff der Bronzehändler.« Seine Stimme kam ihm fremd vor; auch Tamahat hörte aus seinen Worten den unterdrückten Zorn. »Aber was ich zu sagen habe, geht nur mich, dich und Chakaura an.«
Sie lehnte sich abwartend zurück und versuchte zu lächeln. Das glatte Haar lag schwer auf Tamahats Schultern, sie war mit übergroßer Sorgfalt geschminkt und gekleidet.
»Dein schönstes Geschenk, Gepardenäugige«, sagte er leise, »ist deine Zuneigung, deine Leidenschaft. Ein anderes deiner Geschenke von unsagbarem Wert habe ich hergeben müssen. Wenn dein hochmögender Bruder zulässt, dass zwischen seinen Einzigen Vertrauten Verräter sitzen, wird man bald ein schönes Schiff voll Bronze und Zinn vergeblich am Hapi suchen. Unser Schiff, Schönste.«
Tamahat griff stirnrunzelnd nach seiner Hand. Er zog sie einige Herzschläge später aus ihren Fingern.
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Karidon.« Tamahat versuchte ihrer Stimme einen kühlen Klang zu geben; sie blieb unsicher und ratlos. »Setz dich zu mir, umarme mich – du rennst hin und her wie ein gefangener Löwe.«
»Ich fühl mich nicht viel anders.« Er setzte sich ihr gegenüber und schüttelte den Kopf, als sie ihm die Schale anbot. »Du wirst meinen Zorn verstehen, wenn ich dir berichtet hab, was passiert ist. Wir hatten Glück, sonst wären wir alle tot. Ertrunken.«
»Den Göttern sei Dank! Du lebst, Liebster.« Sie flüsterte und beugte sich vor, um ihn zu küssen. Karidon schob sie an den Schultern sacht zurück. Er begann zu sprechen; nur langsam verlor seine Stimme den Klang mühsam unterdrückter Wut. Er sah, dass sich Tamahat zwingen musste, ihm schweigend zuzuhören:
Zwei Tage vor Gubla, etwa in der Höhe von Uschu, rüttelte jemand Karidon an der Schulter. Er schrak hoch; die Horus knarrte und ächzte, obwohl wenig Wellengang herrschte. Karidon stützte sich auf die Ellbogen und sah in Ptah-Netjerimaats Gesicht.
»Das musst du erleben, Kari.« Ptah flüsterte. »Steh auf. Sieh nach Osten.«
Sie gingen vorbei an Holx-Amr, der mit beiden Pinnen steuerte, am schnarchenden Jehoumilq und an schlafenden Ruderern vorbei zum Bug. Vor ihnen, knapp an Steuerbord, breitete sich jenseits der Schattenlinie der Küstenberge ein breiter Streifen fahler Helligkeit aus. Die Sonne, mehr zu ahnen als zu sehen, stieg hinter dem Zederngebirge. Schwarz zeichneten sich die fernen Gipfel gegen einen Streifen helles Grau ab, darüber glitten, als zögen Götterfinger breite rosa Linien, Wolken wie Lanzenspitzen auseinander und ließen einen grellen weißen Faden erkennen. Jehoumilqs Schnarchen riss ab. Eine Öffnung im Farbenspiel, das binnen weniger Atemzüge von rußigem Schwarz über unterschiedliches Grau in Rosa, stechendes Rot und blendendes Weiß spielte und einen großen ovalen Fleck bildete, wurde strahlend grün. Jehoumilq schob sich zwischen Ptah und Karidon, umfasste ihre Schultern und murmelte heiser:
»Das hab ich auch noch nie gesehen. Nicht so. Wieder mal ein Götterzeichen, Netji?«
Ptah zuckte schweigend mit den Schultern. Die Öffnung verformte sich, zerfaserte und zeigte die vagen Umrisse eines Udjat-Auges, des Zeichens für Leben. Ptah und Karidon trugen es im Brustschmuck, am Bug der Horus war es längst verwittert. Zwischen schwarzen Streifenwölkchen drang strahlenförmig Sonnenlicht hervor, das Gestirn blinzelte einigemal, und für wenige Augenblicke sahen die Männer ins neblige Sonnenauge. Die Sonnenscheibe erschien; blendende Helligkeit zuckte über das Meer und ließ das Segel aufleuchten.
»Ein Auge der Morgenröte.« Karidon schloss geblendet die Augen. »Ankh. Leben für uns alle. Gutes Leben. So werden wir unser neues Schiff nennen, Jossel.«
Die Horus pflügte durch eine große Welle. Der Bug hob sich und setzte schwer ein. Die Männer federten den Stoß ab. Jehoumilq nickte bedächtig. »So soll es sein; ein schöner Name. Einverstanden. Freund Sibon wird sie wohl fertig gebaut haben, unsere Auge der Morgenröte .«
»Die wir nunmehr leicht bezahlen können.« Ptah beschattete die Augen mit der Hand und blickte nach Osten. Die Sonne schwebte eine Handbreit über den Bergen und ließ die Flanke eines weißen Gewitterturms aufleuchten. »Der Goldhorus war großzügig und der Tausch unseres Silbers mehr als einträglich.«
Jehoumilq streichelte den Bart und betrachtete die Salzkristalle an den Fingern. Als das Klappern von Selkaras
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