Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
Vom Netzwerk:
macht.«
    Vierundzwanzig Mann ruderten, vier Männer stapelten Essen, Bierkrüge und Wasserschläuche in den Schiffskörper und ordneten die Waffen. Die Mannschaft hockte auf den Planken und sah verwundert den Soldaten zu und auf die Ufer, die in zunehmender Geschwindigkeit am Schiff vorbeiglitten. Userhet nahm den Helm ab, bettete ihn in ein Taubündel und setzte ein Kopftuch auf. »Herr Sokar-Nachtmin hat von Spähern erfahren, dass die Horus hapiaufwärts segelt. Mir befahl er, für euch zu sorgen. Zwar ist der Ibisgau inzwischen sicher, auch das Palastlehen des alten Parennefer, euer Heim, wie man mir gesagt hat. Aber Abtrünnige verbergen sich im Schilf und andernorts. Was der Horus im Großen Haus von dir will, Herr Karidon – ich weiß es nicht.«
    »Der Kanal ist sicher?« Der Hapinebenarm, der in die Große Oase führte, zweigte stromauf jenseits von Chnum-Chmunu ab, aber im Flachland südlich des Sehedhu-Totenmales des Amenemhet verband ein Kanal mit großen Schleusen beide Gewässer. Der Anführer von Dreißig nickte heftig.
    »Alle Schleusen sind geschlossen; viel Wasser steht dieses Jahr im Neuen Land, im Vorderen und Hinteren Naret-Baum-Gau, und fließt nicht zum Hapi zurück. Große Ernte im Jahr Eins! Viele Soldaten wachen deshalb an Schleusen und Kanälen.«
    Die Sonne des Vormittags fiel auf die dreieckigen Flanken der Totenmale und ließ sie aufleuchten: weiß, braun und rötlich, schimmernd wie grauer und rosa Granit. Die gewaltige Quadermauer des Gottkönigs Nedjeri-Chet, über deren Kante noch vier Stufen der Grabstätte zu sehen waren, bildete scharfe Kanten, die hinter dem dunklen Grün von Palmen, Tamarisken, Uferschilf und Binsen das makellose Blau des Himmels ritzten. Men-nefer, das seltsam ausgestorben wirkte, verschwand heckwärts zwischen Schilf und Binsen. Arbeiter und Bauern schnitten Degem-Rizinusstauden und sichelten Schilf. Zwischen ihnen und auf höhergelegenen Plätzen sah Karidon das Aufblitzen von Waffen und die bunten Fellbespannungen der Schilde.

    Im durchdringenden Mittagslicht hatten die Sehedhubauten, die großen wie die kleinen, und auch die steinernen Fabelwesen entlang der Prozessionsstraßen ihre Farbe abermals verändert. Schatten meißelten Kanten und Formen heraus. An einer Baustelle auf den Wüstenfelsen bewegte sich, winzig wie Ameisen, ein Heer von Arbeitern. Die ersten Hochwasserdämme kamen an Steuerbord in Sicht; außer der Horus gab es kein Schiff, nur Fischerboote und breite Schilfboote, in denen Karidon junge Rinder sah. Schafherden weideten auf halbkreisförmigen Aufschüttungen, deren Kern aus trockenen Lehmziegeln und Felsschutt bestand: seit Amenemhet das Land erschlossen hatte, waren sie von Schilf gesäumt, grasbewachsen und mit Dattelpalmen, Feigenbüschen und Sykomoren bepflanzt. Als der Strom eine Krümmung machte, tauchten hohe Masten auf, an denen farbige Bänder träge nach Süden flatterten. Ptah deutete zum Ufer.
    »Soldaten! Unser Freund Nachtmin war schon immer wachsam. Seinen Männern ist Langeweile fremd, wie?«
    »Wenn wir nicht Schleusen und Kanäle bewachen, üben wir«, sagte Userhet. Er hatte Holx-Amr am Ruder abgelöst. Der Steuermann döste im Schatten des schlaffen Segels. Die Horus wurde zum Ufer gesteuert, fuhr in der Strommitte einen Viertelkreis und glitt auf die trichterförmige Einfahrt zu. Der Lotse rief die Götter an und schrie den Schleusenwächtern Befehle zu, die sie in gemessener Eile befolgten. Die Riemen mussten nicht hochgestellt werden; zwei Schiffe hätten zwischen den Pfeilern hindurchfahren können. Die Arbeiter zogen triefende Bohlen aus Nadelbaumholz in die Höhe, säuberten die untersten flüchtig vom Schlamm und ließen sie in den Führungsrinnen hinunter, nachdem die Horus in die Schleusenkammer eingefahren war.
    »Jedes Mal, wenn ich das hier sehe«, murmelte Jehoumilq, »muss ich die Vorfahren des Goldhorus bewundern. Was allein diese dreißig Ellen langen Bohlen gekostet haben!«
    »Und was die Ruderer geschuftet haben, auf den Flößen von Uschu her, hinter den Schiffen!«, sagte Mlaisso. Am Kanalende strömte Wasser über die Kanten der Balken, ein zweiter Balken tauchte auf, ein dritter; langsam füllte sich der steingefasste See. An den Steinen zeichneten sich die Linien unterschiedlicher Wasserhöhen schmutzigbraun und grünlich ab. Mit wenigen Riemenschlägen hielten die Ruderer das Schiff von den Wänden fern. Als der letzte Balken senkrecht stand, von einem halben Dutzend Tauen gehalten, glitt

Weitere Kostenlose Bücher