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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Werkzeuge zu erfinden und zu gebrauchen.«
    Kaemheset nippte am Wein und räkelte sich an der Wand, deren Steine die Hitze des Tages ausströmten. Er blinzelte wie eine einäugige Eule und sprach mit festerer Stimme weiter.
    »Du und viele Händler sammeln für den Gottkönig des Hapi jenes starke Metall. Noch wissen wir nichts vom Götterstern der neuen Zeit. Er beschreibt unsichtbar seine Bahn: Nechoschet heißt das Metall, oder, wie es die Ungläubigen nennen, Bronze. Aus vier flüssigen Teilen besteht es, aus Kupfer, Antimon, Blei und Zinn. Wenn weise Männer ein neues Werkzeug erfunden haben, dann werden Menschenaugen sehen können, dass vier leuchtende Helfer den Wandelstern begleiten wie winzige Sterne, wie Kinder die Knie der Mutter.
    Der Mond, der Stein-Stern, der uns am Tag und in der Nacht begleitet; ihn sehen alle. Man redet hinter vorgehaltener Hand von einer neuen Zeit? Mag sein. Aber was ist, wenn man ein Metall, härter als Bronze, findet? In fremden Ländern? Hast du je vom Anbar-Metall gehört, das man im Land am Idiqlat und Uruttu schmiedet?«
    Karidon nickte zögernd: eines von unzähligen Gerüchten, die Händlerkarawanen wie Fliegenschwärme umgaben.
    »Entdecken wir je einen siebenten oder achten Wandelstern?« Kaemheset schien erschöpft. Er senkte den Kopf, tunkte zwei Finger in den Weinbecher und schob sie zwischen die dünnen Lippen. Sein dunkles Auge blieb auf Karidon geheftet.
    »Du bist müde, Vater«, sagte er und leerte den Ziegenbalg in die Becher. Eine Tropfenspur sprenkelte die weiße Platte. Erinnerung blitzte auf: Blut tropfte von der Beilschneide. »Eine letzte Frage. Ich will wissen, für mich allein, wie ich aus allem, was ich sehe und was ich tu, wie ein Seilschläger aus tausend Fäden, ein Lebenstau weben und flechten kann, mit einem feinen Knoten am Ende. Oder ob ich versuche, Sand oder Wind zu formen?«
    Kaemheset schloss, nachdem er den Becher abgestellt hatte, die Augen. Dicht über Karidons Kopf flog fast geräuschlos die Eule vom Ölbaum schräg ins Gras hinunter und schlug eine Maus. Mondlicht und Sternenschein verwandelten Kaemhesets Gesicht in eine regungslose Steinmaske, wie Karidon sie in Tempeln und im Palast gesehen hatte. Er glaubte, der Priester sei eingeschlafen.
    Plötzlich öffnete Kaemheset das Auge, beugte sich vor und legte die trockene Greisenhand auf Karidons Unterarm, dessen Härchen sich aufstellten.
    »Krabbe. Söhnchen. Ich hab in meiner Erinnerung gekramt und viele Bilder wiedergefunden, drüben, vom Bergwerk. Ich kenn dich länger, als mir bewusst war. Meine Antwort kommt aus der Höhe meiner Beschränktheit. Aber kurz vor dem Knoten meines Lebensseiles – ein trefflicher Vergleich, Seemann – sage ich dir: niemand kann das Ziel, das Ende, vorhersagen. Tausend Priester des Ptah oder des Anubis vermögen's nicht. Ich auch nicht. Der Weg ist das Ziel, Krabbe. Schritt um Schritt, Stufe um Stufe.«
    Er raffte den Mantel am Hals, starrte in die Sterne und murmelte, wie zu sich selbst:
    »Ist der Weg das Ziel? Nur dann, wenn du ihn bewusst gehst und das Wissen, das du mühsam, meine ich, erworben hast, klug verwendest. Denk tief und lang, bevor du handelst. Geh mit den Menschen solchermaßen um, wie du es von ihnen erwartest. Töte nur, wenn du angegriffen wirst. Wenn du liebst, tu's mit allen Sinnen oder lass es. Sei deinen Freunden ein guter Freund. Betrüge nicht beim Handel, sei offen für alles und gib schnell. Wer schnell gibt, gibt doppelt und dreifach. Bleib neugierig: sieh nach, was hinter der nächsten Welle oder dem nächsten Hügel ist.«
    Kaemheset gähnte und rieb sein blindes Auge, leerte den Becher und schob die andere Hand aus den Falten des Mantels.
    »Was du gelernt hast, vermag dir niemand zu nehmen. Halt deinen Kapitän, den du wie ein Sohn liebst, in Ehren. Was du bist, wurdest du durch ihn. Dein Ka birst vor Stärke! Du hast vom jungen Chakaura erzählt. Vielleicht braucht er, abgesehen von der Misslichkeit am Kanal, einen Freund. Achte darauf, wie er zu dir spricht, denn ein Gottkönig verhält sich anders als Freund Netji oder jener Steuermann mit dem haltlosen Magen.«
    Der alte Priester nickte und stand langsam auf. Karidon streckte die Arme aus und half ihm, die wenigen Schritte zum Eingang zu gehen. Die Tür knarrte nach innen. Kaemheset hob beide Hände auf Karidons Schultern, als wolle er den Segen der Götter beschwören; der schwere Mantel glitt lautlos zu Boden. Kaemheset hielt den Kopf schief und schob den Finger

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