Der Bronzehändler
auf Mlaissos Schulter. Sie wirkte aufregend und fremdartig; zu halbhohen Stiefeln aus Ziegenleder trug sie einen breiten Gürtel mit zwei Dolchen und halb Nomaden-, halb Rômekleidung.
»Was sagte er ihnen?«
»Sie haben die Wahl. Reden, die Wahrheit sagen und ins schattige Hapiland als Gefangene gehen oder zu sterben, nachdem wir alle Antworten aus ihnen herausgeprügelt haben.«
»Und? Was sagen sie?«
Mlaisso lachte und zeigte seine Zähne. »Wenig oder nichts, Herr der blutenden Nase. Ich hab noch nichts gefragt, weil ich auf dich, den Briefeschreiber, gewartet habe.«
»Fragt sie«, sagte Karidon. Die Sonne stieg, und die Hitze schmolz die Salbe in seiner Binde. Säuerliches Fett rann in die Augenbrauen. »Fragt sie alles, angefangen von der merkwürdigen Zeichenschrift bis zu ihrem Anführer. Wiederhol die Drohung, Ti-Senbi, die Ptah ausgesprochen hat.«
Die Kushitin zog die Enden des Kopftuchs über die Schlüsselbeine und deutete mit der rechten Hand auf den Gefangenen unmittelbar vor ihr. Ihre Stimme war scharf, sie sprach langsam; es klang wie kalter, mühsam unterdrückter Zorn.
Der Gefangene antwortete stockend. Hin und wieder stellte Mlaisso eine kurze Frage. Die Gefangenen senkten die Köpfe, um nicht in die Sonne starren zu müssen, die hinter Karidon und Mlaisso loderte. Karidon beobachtete die Männer, deren jüngster etwa sechzehn, der älteste dreißig Sommer zählen mochte. Manchmal nickten sie; Mlaisso spielte unentwegt mit dem Dolch, der funkelnde Blitze warf. Mitunter antwortete einer der Älteren. Karidon stutzte, als er die Worte für Herr, Land, starker Stier und einen Rôme-Namen verstand: Mont-Hemtet. Mlaisso winkte einen Soldaten herbei und deutete auf die Brust des ältesten Gefangenen.
»Bring mir das Amulett.«
Der Soldat riss die Lederschnur vom Hals des Mannes und brachte sie Mlaisso. Mlaisso hielt eine Kupferscheibe hoch, vier Finger breit und einen Fingerbreit länger. Das Metall, glänzend vom ständigen Tragen auf der Haut, zeigte untereinander einige eingeritzte Zeichen der Rômetschrift, mit schwarzer Paste ausgefüllt.
Mlaisso sagte: »Was kannst du lesen, Kari?«
»Djetamun-Ika-Iuanch, großer Stier, Herr des Landes.« Karidon kannte niemanden dieses Namens. »Woher hat er das Amulett?«
Mlaisso und Ti-Senbi fragten weiter; schärfer, drohender. Die Antworten kamen schneller und, wie es schien, bereitwilliger. Am späten Vormittag, als die Hitze fast unerträglich geworden war, stand Ti-Senbi auf und sagte zu Karidon und Neketre, der neben ihm stand: »Wenn wir Schattenfresserangst, Gerüchte und Halbwahres wegstreichen, ist es so: Ein Mann oder eine kleine Gruppe Fremder kamen aus dem unbekannten Osten. Sie fanden weit unter der ersten Hapischnelle die Unterstützung eines Mächtigen. Es scheint einer der Gaufürsten zu sein. Dieser Mann mit Macht heißt wohl so, wie es eingraviert steht, und den Anführern der Nomadenkrieger hat er es als Zeichen des Vertrauens gegeben. Sie wissen nicht, wie viele sein Amulett tragen; ein oder zwei Dutzend, vielleicht.«
»Sie sollten uns überfallen und töten?« Neketre starrte die Gefangenen finster an.
Mlaisso nickte. »Und die Bevölkerung bis hinauf zur Südgrenze des Reiches auch. Ebenso die Händler aus dem Süden.« Er hob die Fäuste. »Was sie ja nun auch geschafft haben.«
»Aus welchem Grund?« Karidon stand ebenfalls auf und sah hinüber zu den Schnellruderern.
»Sie wissen es nicht«, sagte Ti-Senbi und zeigte auf die Geier, die am westlichen Himmel kreisten. »Die da auch nicht.«
»Mir ist es einigermaßen klar«, Mlaisso legte den Zeigefinger an seine Nasenperle. »Soldaten, die hier Nomaden abwehren, in Kush und Wawat, fehlen an anderen Stellen. Die ganze Bedeutung werden Feldherr Sokar-Nachtmin, Tatji Ikhernofret und der Horus der Horizonte besser erkennen als wir, hier am Rand der bewohnbaren Welt.«
»So ist es.« Karidon wandte sich an Neketre: »Wenn Tenthape zurück ist, wird auch mein Brief fertig sein. Sagt den Gefangenen, dass nur unsere milde Gerechtigkeit sie davor bewahrt hat, fistelnd den Verlust von Fingern und Zeugungsgliedern beklagen zu müssen. Lasst den Jüngsten frei. Er soll seinen Leuten sagen, was wir beschlossen haben.« Er nickte Mlaisso zu und knurrte: »Ich geh ins Boot, schreibe und halte ein nasses Tuch an meine dicke Nase. Wir haben zwei Tage Ruhe verdient. Dann, am Morgen, rudern wir weiter; nach Iken.«
Neketre verbeugte sich tief. »So soll es geschehen!«
Am frühen
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