Der Buddha aus der Vorstadt
verheiratet war. »Deine Frau faßt dich immer noch nicht an, he?«
Er schüttelte traurig den Kopf und schluckte. »Und du? Bumst du sie regelmäßig?«
»Nicht doch, um Himmels willen, Blase, nicht seit damals, als du uns gesehen hast. Es wäre einfach nicht das gleiche.« Er grunzte. »Also besorgt es ihr niemand?«
»Niemand, Mann.«
»Gut.«
»Frauen sind nicht so wie wir. Sie brauchen es nicht jeden Tag. Uns ist es egal, mit wem wir es machen, aber Frauen wollen es nur, wenn sie den Typen auch mögen.«
Doch er schien meinen Beobachtungen über die Psychologie des Liebens keine Beachtung zu schenken. Er drehte sich um und sah mich mit Leidenschaft und Entschlossenheit an, nicht gerade Eigenschaften, mit denen Gott ihn überreich gesegnet hatte. Er ließ seine gesunde Faust auf den Tisch krachen und rief: »Ich werd dafür sorgen, daß sie sich in mich verliebt! Ich weiß, daß ich es schaff! Irgendwann!« »Changez«, sagte ich ernst, »bitte rechne nicht damit. Ich kenne Jamila schon, solange ich lebe. Begreifst du nicht, daß sie sich dir gegenüber niemals anders verhalten wird?« »Ich glaub daran! Sonst war mein Leben zu Ende! Ich würd mich umbringen!«
»Das bleibt dir überlassen, aber -«
»Natürlich werde ich das tun. Ich werde mir die Kehle durchschneiden.«
»Womit?«
»Mit einem Schwanz!«
Er warf Tasse und Teller auf den Boden, hievte sich in die Höhe und begann, im Zimmer hin und her zu gehen. Normalerweise hing der verkrüppelte Arm bewegungslos an seiner Seite, ein nutzloser Stumpf. Doch jetzt ragte er aus dem aufgekrempelten Ärmel des Morgenrocks und schwang hin und her. Changez schien ein anderer Mensch geworden zu sein, jemand, der echten Schmerz empfand und nicht nur jene ironische Geringschätzung, mit der er sonst sein eigenes Leben beurteilte. Als er nun mich, seinen Freund, ansah, lag Verachtung in seinen Augen, obwohl ich doch versuchte, dem fetten Schwein zu helfen.
»Changez, es gibt andere Frauen auf der Welt. Vielleicht kann ich dich mit einigen Schauspielerinnen bekanntmachen - du müßtest allerdings abspecken. Ich kenne ’ne ganze Menge, und einige davon sind echt scharf. Die sind ganz wild aufs Vögeln. Ein paar von denen wollen den Schwarzen und der dritten Welt helfen, das sind die Richtigen für dich. Ich stell sie dir vor.«
»Du bist ein kleiner Engländer mit einem gelben Teufelsgesicht! Deine Moral ist gleich Null! Ich bin verheiratet. Ich liebe meine Frau, und sie wird mich lieben. Ich würde bis zum letzten Tag auf sie warten -«
»Das könnte ziemlich lange dauern.«
»Ich will sie in meinen Armen halten!«
»Ich sag ja nur, daß es Zeit braucht. Und inzwischen könntest du -«
»Scheiß drauf. Ich rühr verdammt noch mal keinen Finger, bevor ich sie nicht habe. Und noch was: Du wirst mich nicht auf der Bühne darstellen. Nein, nein, nein! Endgültig nein! Und wenn du trotzdem versuchst, meinen Charakter zu stehlen, dann weiß ich nicht, wie wir noch Freunde sein und miteinander reden können. Versprochen?«
Da sollte man nicht wahnsinnig werden. Was sollte das jetzt wieder bedeuten - Zensur? »Versprochen? Du Arsch! Ich kann dir im Moment überhaupt nichts versprechen! Wovon redest du eigentlich?« Ich hätte ebensogut einen Felsen anschreien können. Irgend etwas in ihm hatte sich gegen mich verhärtet.
»Du bist in meine Frau eingedrungen«, sagte er. »Jetzt versprich mir, daß du nicht durch die Hintertür in mich eindringst und mich in deinem Stück benutzt.«
Ich war geschlagen. Was konnte ich dazu noch sagen? »Okay, okay, ich verspreche dir, nicht in dich einzudringen«, sagte ich halbherzig.
»Es macht dir Spaß, mich klein zu machen, und dir gefällt es, wenn du über mich lachen kannst. Du sagst mir mitten ins Gesicht, was für ein blöder Hund ich bin. Aber eines Tages wird dir das Lachen im Halse steckenbleiben. Hältst du dein Versprechen?«
Ich nickte. Ich ging.
Wie ein Verrückter radelte ich zu Eleanor. Ich mußte mit ihr reden. Zuerst hatte ich Anwar verloren, und jetzt geschah mir mit Changez das gleiche. Ohne ihn war meine ganze Karriere in Frage gestellt. Wen sollte ich sonst als Vorbild für meine Rolle nehmen? Mehr »Schwarze« kannte ich doch gar nicht; Pyke würde mich feuern.
Als ich den Hausflur betrat, kam Heater gerade heraus. Wie ein Berg Lumpen blockierte er meinen Weg, und jedesmal, wenn ich versuchte, mich an ihm vorbeizuschlängeln, prallte ich gegen seine stinkende Masse.
»Verdammt, Mann, was soll das,
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