Der Buddha aus der Vorstadt
ein in deiner Ausdrucksfähigkeit als Schauspieler und als Mensch.«
»Aber Matthew, warum denn?«
Er sah mich kühl an. »Weil ich es dir sage.« Dann fügte er hinzu: »Du mußt noch einmal von vorn anfangen.«
Kapitel zwölf
»Hey, Fettie, wie geht’s?«
»Wie immer, mein großer, berühmter Schauspieler.« Changez nieste in die Staubwolken, die er aufwirbelte. »In welchem großen Stück können wir denn jetzt über dich lachen?«
»Gut, ich erzähl’s dir, okay?«
Aus den Vorräten, die ich immer für den Fall bei mir hatte, daß mein Gastgeber nur Teebeutel haben sollte, machte ich uns eine Tasse Bananen- und Kokosnußtee. In Changez’ Wohnung war ich erst recht auf meine Notrationen angewiesen, weil er seine Teebeutel gleich mit Milch, Wasser, Zucker und Kardamom zusammen ungefähr eine Viertelstunde lang kochen ließ. »Männertee« oder »Spitzentee« nannte Changez sein Gebräu. »Gut für die Potenz.« Glücklicherweise - ich wollte nicht, daß sie mitbekam, worum ich Changez bitten wollte - war Jamila nicht zu Hause. Sie hatte angefangen, in einem Zentrum für schwarze Frauen zu arbeiten, wo sie die rassistischen Motive für Angriffe auf Frauen erforschte. Changez wischte gerade Staub; dabei trug er Jamilas rosafarbenen Seidenmorgenmantel. Braune Speckrollen schwabbelten auf und ab, wenn er mit seinem Staubwedel nach Spinnennetzen stieß, die so groß wie Taschenbücher waren. Er hatte gern Kleider von Jamila an: Ständig trug er einen Pullover oder ein Hemd von ihr oder saß in ihrem Mantel auf dem Feldbett, wickelte sich nach indischem Brauch einen Schal um den Kopf und sah aus, als hätte er Zahnschmerzen. »Ich arbeite an einer Rolle, Changez, und suche dafür nach einem Vorbild, und ich will jemanden spielen, den wir beide kennen. Es wird eine besondere Ehre für ihn sein, auf der Bühne dargestellt zu werden. Er hat wirklich verdammtes Glück.«
»Gut, gut. Jamila, he?«
»Nein. Du.«
»Was? Ich?« Changez richtete sich plötzlich auf und fuhr sich mit der Hand durch das Haar, als würde er jeden Moment fotografiert werden. »Aber ich hab mich nicht rasiert, yaar.«
»Eine tolle Idee, nicht wahr? Eine meiner besten.«
»Ich bin stolz darauf, Thema eines Theaterstücks zu sein«, sagte er. Doch dann verdüsterte sich sein Gesicht. »Hey, du wirst mich doch nicht in schlechtem Licht zeigen?« »Schlechtes Licht? Bist du verrückt? Ich werde dich genauso zeigen, wie du bist.«
Das schien ihn zu beruhigen. Da ich seine Zustimmung hatte, wechselte ich rasch das Thema.
»Und Shinko? Wie geht es Shinko, Changez?«
»Ach, wie immer«, sagte er zufrieden und zeigte auf seinen Schwanz. Er wußte, daß mir dieses Thema gefiel; und da es das einzige war, mit dem er ein bißchen angeben konnte, hatten wir beide unseren Spaß daran.
»Ich habe mehr Stellungen ausprobiert als die meisten Männer. Ich habe schon daran gedacht, ein Handbuch darüber zu schreiben. Eigentlich gefällt es mir von hinten am besten, die Frau vor mir auf den Knien, dann fühl ich mich wie John Wayne auf einem Pferd.«
»Und Jamila hat nichts dagegen?« fragte ich. Dabei beobachtete ich Changez sorgfältig und überlegte, wie ich den verkrüppelten Arm darstellen sollte. »Ich meine wegen Prostitution und so?«
»Du hast den Nagel genau auf den Kopf getroffen! Zuerst hielten sie mich für einen Betrüger, ein männliches Ausbeuterschwein -«
»Nicht möglich!«
»Und ein paar Tage lang mußte ich zweimal täglich ganz allein wichsen. Shinko wollte alles aufgeben und Gärtnerin werden.«
»Glaubst du, sie würde eine gute Gärtnerin abgeben?«
Er zuckte mit den Schultern. »Sie hat flinke Finger und ist gut im Umgang mit Gewächsen; doch Gott sei Dank haben die beiden bald eingesehen, daß Shinko eigentlich mich ausbeutet. Ich war das Opfer, und damit war alles wieder beim alten.« Changez faßte mich plötzlich am Arm und sah mir in die Augen. Er wurde traurig. Wie sentimental er doch war. »Kann ich dir etwas anvertrauen?« Er sah in die Ferne - durch das Fenster in die Küche des Nachbarn. »Wir lachen über den einen oder anderen meiner Charakterzüge, gut, aber ich will dir was gestehen, das nicht zum Lachen ist. Jede Position, die ich auch nur fünf Minuten lang eingenommen habe, würde ich für immer aufgeben, wenn ich nur einmal meine Frau auf die Lippen küssen könnte.« Frau? Was für eine Frau? Meine Gedanken kreisten um dieses Wort, bis es mir wieder einfiel. Ich vergaß ständig, daß er mit Jamila
Weitere Kostenlose Bücher