Der Buddha aus der Vorstadt
Theaters - im ICA war das; oder war es das Royal Court, das Open Space, das Almost Free oder das Bush gewesen? - egal, wie sehr sie ihn damals schon gewollt hatte, aber sein Ruf, sein Talent, seine Stellung hätten sie zu sehr eingeschüchtert, und jetzt endlich lernte sie ihn so kennen, wie sie ihn schon immer hatte kennenlernen wollen.
Marlene war von alldem völlig hingerissen. Sie umkreiste das Paar, um besser sehen zu können. »Ja, ja«, sagte sie. »Es ist so schön, so schön; ich kann es nicht fassen.«
»Halts Maul«, fuhr Pyke sie plötzlich an.
»Aber ich kann es nicht glauben«, fuhr Marlene fort. »Du vielleicht, Karim?«
»Wirklich unglaublich«, stimmte ich zu.
Das lenkte Eleanor ab. Sie sah zuerst mich, dann Pyke mit verträumten Augen an, nahm sich Pykes Finger aus der Möse und steckte sie mir in den Mund.
»Laßt doch den ganzen Spaß nicht für mich allein«, flehte sie Pyke an. »Warum streichelt ihr beiden euch nicht?« Marlene nickte begeistert über diesen konstruktiven Vorschlag.
»Wirklich?« fragte Eleanor. Mir fiel, mit Pykes Fingern im Mund, die Antwort etwas schwer.
»Au ja, ja«, sagte Marlene.
»Reg dich ab«, sagte Pyke zu ihr.
»Ich bin ja ganz ruhig«, meinte Marlene. Sie war außerdem auch noch betrunken.
»Verdammt«, sagte Pyke zu Eleanor. »Verfluchte Marlene.« Marlene ließ sich auf die Couch fallen, nackt, die Beine gespreizt.
»Wir haben noch die ganze Nacht vor uns!« rief sie. »Stunden der totalen Lust. Wir können tun, was wir wollen. Wir haben erst angefangen. Laßt mich eure Drinks nachfüllen, und dann legen wir los. Karim, ich will, daß du mir ein paar Eiswürfel in die Möse schiebst. Würdest du sie bitte aus dem Kühlschrank holen?«
Kapitel vierzehn
Mir ging es wie immer: Ich hatte kein Geld. Diesmal sah es jedoch so schlecht aus, daß ich anfangen mußte zu arbeiten. Wir hatten gerade einige Wochen Pause, in denen Louise versuchen wollte, ein einziges zusammenhängendes Stück aus den von uns entwickelten Improvisationen und Charakteren zu schaffen. Bei Pyke dauerte der ganze Prozeß der Inszenierung mehrere Monate. Wir hatten im Frühsommer angefangen, und jetzt war es Herbst. Außerdem war Pyke nach Boston geflogen, um dort zu unterrichten. »Wir arbeiten daran, bis es fertig ist«, sagte er. »Mir kommt es auf den Prozeß und nicht auf das Ergebnis an.« Statt wie Carol, Tracey und Richard während dieser Wartezeit in Urlaub zu fahren, half ich als Schubkarrenboy - so jedenfalls nannte Eva es - beim Renovieren der Wohnung. Widerwillig begann ich eigenhändig den Schutt fortzuräumen. Es war eine schwere und schmutzige Arbeit, und daher war ich ziemlich überrascht, als Eleanor eines Abends meinte, sie würde sich gern den Job mit mir teilen. »Bitte«, sagte sie. »Ich muß hier raus. Wenn ich zu Hause bin, fang ich doch nur an nachzudenken.«
Weil ich nicht wollte, daß Eleanor nachdachte, und sie seit dem Abend bei Pyke (über den wir nie sprachen) enger an mich binden wollte, sagte ich Eva, sie solle Eleanor auch noch einstellen. »Natürlich mit gleichem Lohn. Schließlich arbeiten wir als Team«, erklärte ich.
Eva war in letzter Zeit energischer und härter geworden. Ihr Alltag war fast so gut durchorganisiert wie der eines typischen Managers; sogar ihr Gang war forscher geworden, und sie trug frechere, flottere Kleider. Für jede Kleinigkeit gab es neuerdings Listen. Keine mystischen Nebel verdunkelten mehr die Frage, wie praktische Dinge - etwa eine Wohnung ausräumen - zu erledigen waren. Seinen Impulsen zu folgen und eine sensible Intuition zu haben hieß noch lange nicht, daß man ein unpraktischer Idiot sein mußte. Eva redete direkt und ohne Umschweife; und dadurch verschreckte sie die Menschen, besonders die Klempner, für die so etwas ziemlich ungewohnt war. Sie waren noch nie jemandem begegnet, der sie zurechtstutzte: »Nun sagen Sie mir doch mal, wie konnten Sie einen so einfachen Auftrag dermaßen verpfuschen? Wollen Sie wirklich so drittklassig sein? Leisten Sie immer so miserable Arbeit?« Außerdem hatte sie als Charlies Mutter sehr an Ansehen gewonnen. Zweimal war sie bereits für die Beilagen der Sonntagszeitungen interviewt worden.
Jetzt tat sie herablassend. »Ich kann es mir nicht leisten, Eleanor auch noch einzustellen. Außerdem hast du gesagt, sie sei verrückt.«
»Das bist du auch.«
»Schauspieler sind eine lustige Gesellschaft. Sie verstellen ihre Stimmen und imitieren irgendwelche Leute. Aber sie
Weitere Kostenlose Bücher