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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Bride of Christ«, das ständig wieder aufgelegt wurde. Nachdem Percy gegangen war, warf ich Pyke und Marlene meinen bedeutungsvollsten Blick zu, mit dem ich ihnen zu verstehen geben wollte, daß sie die Arbeiterklasse verraten hätten, aber sie merkten es gar nicht. Sie saßen nur da, rauchten und sahen total gelangweilt aus, als würde dieser Abend schon tausend Jahre dauern und nichts könne sie mehr interessieren oder gar anmachen.
    Plötzlich stand Pyke auf, ging durch das Zimmer und stieß die Türen zum Garten auf. Er drehte sich um und nickte Eleanor zu, die sich mit Marlene unterhielt. Eleanor brach mitten im Satz ab, stand auf und trippelte Pyke hinterher in den Garten. Marlene und ich waren allein. Durch die offenen Türen wurde es im Zimmer rasch kühl, aber die Luft roch so süß, als verströmte die Erde ein Parfüm. Was machten die beiden da draußen? Marlene tat so, als sei nichts geschehen. Schließlich holte sie sich einen frischen Drink und setzte sich neben mich. Sie legte mir den Arm um den Hals, was ich einfach ignorierte. Etwas in mir verkrampfte sich, aber ich ließ es mir nicht anmerken. Langsam wurde mir klar, was ich doch für ein glücklicher Mensch war, mit Marlene an meiner Seite, einer schönen Frau, die sich so ganz und gar auf mich konzentrierte. Aber es gab da noch etwas, das ich wissen wollte, und ich war überzeugt, daß Marlene mir helfen konnte.
    »Marlene, erzählst du mir, was mir noch niemand erzählt hat? Was ist mit Gene, Eleanors letztem Freund, passiert?« Sie sah mich mitfühlend, aber auch leicht ungläubig an. »Bist du dir sicher, daß es dir noch niemand erzählt hat?« »Ich bin mir sicher, daß mir niemand auch nur ein Wort davon gesagt hat, Marlene. Es macht mich noch wahnsinnig. Alle tun so, als sei es ein riesiges Geheimnis. Keiner sagt einen Ton. Sie behandeln mich wie den letzten Deppen.« »Es ist kein Geheimnis, es ist einfach nur ziemlich schlimm und schmerzlich für Eleanor. Okay?« Sie rückte etwas näher. »Gene war ein junger, westindischer Schauspieler. Er hatte ein hübsches Gesicht, war talentiert und sensibel, schlank, freundlich und ein bißchen gammelig. Er kannte viele Gedichte auswendig, und manchmal, auf Feten, sagte er sie auf; er hatte eine kräftige und doch melodische Stimme. Afrikanische Musik war seine Spezialität. Einmal, vor vielen Jahren, hat er mit Matthew zusammengearbeitet. Matthew meinte, er sei der beste Schauspieler, den er je kennengelernt habe. Aber Gene bekam nie die Rollen, die er verdient gehabt hätte. In Krankenhausfilmen leerte er die Bettpfannen. Er spielte Ganoven und Taxifahrer. Er trat nie in einem Tschechow, Ibsen oder Shakespeare auf, dabei hätte er es verdient gehabt. Er war besser als die meisten, und deshalb war er auch wütend und unzufrieden. Ständig wurde er von der Polizei aufgegriffen und überprüft. Taxis fuhren einfach an ihm vorbei; in leeren Restaurants wurde ihm gesagt, man habe keinen Tisch frei. Es war eine ziemlich miese Welt, in der er lebte, in unserem guten alten England. Und eines Tages, als er mal wieder von einer der großen Theatergruppen abgelehnt wurde, hielt er es nicht mehr aus. Er drehte durch. Er nahm eine Überdosis. Eleanor war bei der Arbeit. Sie kam nach Hause, und er war tot. Sie war damals noch sehr jung.«
    »Ach so.«
    »Das ist alles.«
    Marlene und ich schwiegen. Ich dachte an Gene und an das, was er durchgemacht hatte, was sie ihm angetan hatten, was er mit sich hatte machen lassen. Ich merkte, daß Marlene mich beobachtete.
    »Sollen wir uns küssen?« fragte sie dann und strich mir leicht über das Gesicht.
    Ich geriet in Panik. »Was?«
    »Nur einen kleinen Kuß für den Anfang, nur um zu sehen, wie wir miteinander auskommen. Hm, was meinst du?«
    Ihr Gesicht kam auf mich zu. Um die Augen hatte sie schon ganz viele Falten; sie war der älteste Mensch, den ich je geküßt hatte. Als wir uns aus unserer Umarmung lösten und ich mehr Champagner in mich hineinschüttete, warf sie mit einer plötzlichen, dramatischen Geste die Arme hoch, als feierte sie einen sportlichen Triumph, und zog sich ihr Kleid aus. Ihr Körper war schlank und braungebrannt, und als ich sie berührte, war ich überrascht, wie warm sie war, fast, als wäre sie leicht geröstet worden. Das erregte mich, und mit dieser Erregung kam auch etwas wie Zuneigung in mir auf, doch eigentlich hatte ich Angst, und mir gefiel es, Angst zu haben.
    Der Dope machte mich schläfrig und lähmte meine Empfindungen und

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