Der Buddha aus der Vorstadt
haben keinen Charakter.«
»Ich bin Schauspieler, Eva.«
»Ach ja, hatte ich vergessen. Das bist du. Aber nicht für mich.«
»Was willst du damit sagen?«
»Schau nicht so ernst, mein Lieber. Ich meine nur, daß du dich nicht gleich dem ersten Mädchen an den Hals werfen sollst, nur weil es für dich die Beine breitmacht.«
»Eva!«
Seit dem Dschungelmist hatte ich gelernt, mich durchzusetzen, obwohl ich es nicht gerne mit Eva aufnahm. Ich wollte mir nicht unbedingt meine neue Mummy vergraulen. Aber was zuviel war, war zuviel: »Eva, ich werde keinen Handschlag mehr für dich arbeiten, wenn Eleanor nicht mitmachen darf.«
»Okay, abgemacht, wenn du unbedingt darauf bestehst. Gleiche Löhne für euch beide. Allerdings werden eure Löhne hiermit um fünfundzwanzig Prozent gekürzt.«
Also erledigten Eleanor und ich inmitten einer großen weißen Staubwolke alle Drecksarbeiten, rissen die Tapete von den Wänden und kippten die Vergangenheit haufenweise in die Müll-Container. Allerdings lag auch Eva nicht auf der faulen Haut. Sie hatte den Auftrag erhalten, die Wohnung eines Fernsehfilmproduzenten, der sich zur Zeit in Amerika aufhielt, neu einzurichten. Für Ted und Eva war dies der erste große Job, und während Eleanor und ich in unserer Wohnung schufteten, tüftelte Eva mit Ted Pläne für die Wohnung in Maida Vale aus. Eva und Dad schliefen auch dort, und manchmal blieb ich auch über Nacht.
Beim Arbeiten hörten Eleanor und ich die neueste Musik: Clash, Generation X, die Condemned, die Adverts, die Pretenders oder die Only Ones; wir tranken Wein und aßen dazu Würstchen auf Zwiebeln mit scharfem Senf. Nach der Arbeit nahmen wir den 28er Bus nach Notting Hill, saßen auf dem Oberdeck in der ersten Reihe und ließen uns durch den Verkehr der Kensington High Street schippern. Ich betrachtete die Beine der Sekretärinnen unter mir, und Eleanor las in der »Evening News« nach, welches Stück wir uns am Abend ansehen würden.
In ihrer Wohnung duschten wir, kämmten uns Zuckerwasser in die Haare, bis wir aussahen wie Stachelschweine, und zogen schwarze Klamotten an. Manchmal bemalte ich mir die Augen mit Kajal und die Fingernägel mit Nagellack. Dann zogen wir zum Bush, einem winzigen Zimmerchen über einer Kneipe in Shepherd’s Bush: Es war ein Theater, das so klein war, daß die Typen in der ersten Reihe ihre Füße auf der Bühne ablegen mußten. Das berühmte Royal Court Theatre am Sloane Square hatte bequemere Sitze, und die Stücke waren echte Hämmer, die einem die Gedanken ins Schleudern brachten, Stücke von Caryl Churchill oder von Sam Shepard. Manchmal gingen wir auch zum Royal Shakespeare Companys Warehouse in dem dunklen, heruntergekommenen Viertel am Covent Garden und saßen zwischen Studenten, Amerikanern und Schlaumeiern aus Nordlondon. Während unsere Hintern auf Stahlrohroder Plastikstühlen gemartert wurden, sah man über grauen Dielen auf ein minimalistisches Bühnenbild, zum Beispiel vier Stühle und ein Küchentisch in einem Meer von zerbrochenen Flaschen und Bombenkratern, eine brodelnde Welt, in der Trockeneiswolken über das nach Luft ringende Publikum hinwegschwappten. Mit einem Wort: Es ging um London. Die Schauspieler trugen die gleichen Kleider wie wir, nur daß ihre wesentlich teurer waren. Die Stücke dauerten drei Stunden, waren chaotisch und barsten schier vor anarchischen und aufwühlenden Bildern. Für die Autoren war es eine ausgemachte Sache, daß England mit seiner Arbeiterklasse aus Pennern und rotnasigen Taugenichtsen und seinem mit Flippern, Pornographie und Fast Food großgezogenen Nachwuchs in der letzten Schlacht des Klassenkampfes untergehen würde. Das waren die Science-Fiction-Fantasien der in Oxford erzogenen jungen Schnösel, die nie einen Schritt vor die eigene Tür gesetzt hatten. Und dem Mittelstand gefiel’s.
Eleanor glühte nach den Vorstellungen vor Begeisterung und redete wie ein Wasserfall. Dies war Theater, wie sie es mochte; dies war Theater, bei dem sie mitspielen wollte. Meistens kannte sie einige Leute im Publikum, oft sogar im Ensemble, und ich fragte sie jedesmal, mit wem sie schon alles geschlafen hatte. Wie viele es auch waren und was für ein Stück es auch war, wenn ich im Dunkeln neben ihr saß, bekam ich unweigerlich eine Erektion, und in der Pause zog Eleanor sich den Slip aus, damit ich sie so streicheln konnte, wie es ihr gefiel.
Das waren die schönsten Tage: Ich wachte auf, und Eleanor lag neben mir wie eine warme Pastete;
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