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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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nicht. (Anwar war dagegen, er meinte, in ihrem Laden sei die Sahne sowieso immer sauer.)
    Eines Tages betraten drei von Jeeta bestellte Männer den Laden, rissen die in der Mitte stehenden Regale heraus und schufen damit im Kaufhaus Paradies mehr Platz. Die Männer installierten drei lange, niedrige Gefriertruhen, in denen Jeeta große Mengen Kühl- und Tiefkühlkost, inklusive saurer Sahne, aufbewahrte; und bis zum letzten Moment hatte Jeeta Anwar nichts von dieser Neuerung gesagt. Als Anwar dann in den völlig veränderten Laden hinunter kam, muß er geglaubt haben, er sei verrückt geworden.
    Mindestens einmal die Woche ließ Prinzessin Jeeta abschätzige Bemerkungen über Changez fallen. So sagte sie etwa, wenn sie eine Kiste anhob: »Das wär eine Arbeit für einen guten Schwiegersohn und nicht für eine alte Frau wie mich.« Oder sie machte Anwar auf Babys und Kinder aufmerksam, küßte sie und gab ihren Müttern Lebensmittel, ohne Geld dafür zu verlangen, da sie ja doch niemals Enkel bekommen würde von diesem so ausgezeichneten Schwiegersohn, den Anwars hervorragender Bruder aus Bombay ausgewählt hatte. Und manchmal, wenn sie ihre Behandlung noch wirksamer machen wollte, war sie beinahe einen ganzen Vormittag lang freundlich, liebevoll und aufmerksam zu Anwar, um dann, wenn das Lächeln langsam auf sein Gesicht zurückkehrte, bestimmt eine Woche lang kein Wort mehr mit ihm zu reden, bis er überhaupt nicht mehr wußte, woran er war und wie ihm geschah.
    Als Anwar eines Tages aus der Moschee zurückkam, erspähte er durch das Schneegestöber seiner Schmerzen jemanden, an den er sich vage zu erinnern glaubte, doch es war schon lange her, seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte (und diese Person war auch ganz schön fett geworden). In Gedanken jedoch hatte Anwar diesen Menschen tagtäglich gesteinigt und ihn mir gegenüber einen »verdammten, glatzköpfigen, nutzlosen Krüppel« genannt. Es war Changez. Er war mit Shinko beim Einkäufen, seiner Lieblingsbeschäftigung. Zuerst waren sie im Antiquariat und dann im größten Sexshop von Catford, dem »Salon der Liebe«, gewesen, und Changez trug unter seinem gesunden Arm ein braunes Paket mit den neu erstandenen Hilfsmitteln der Lust: roten, im Schritt offenen Slips, Strumpfhosen und Strumpfbändern, Zeitschriften mit Titeln wie »Tiefe Einblicke für den Herrn« oder »Citizen Cane« und der Hauptattraktion, einem großen, knotigen, rosafarbenen Penis, den Changez zu einem Aufpreis in Shinkos Jadeloch stoßen wollte, wenn sie »FickmichfickmichfickmichoMannoMannoMann!« schrie.
    An diesem unvergeßlichen Tag trug Shinko eine Ananas und eine Grapefruit bei sich, die sie eigentlich am Nachmittag mit Changez hatte essen wollen, wären die Früchte nicht später auf die Straße gerollt und in der Gosse unbeachtet verfault. Während Changez und Shinko also unverdrossen durch den englischen Nieselregen schlenderten, erzählten sie sich, beide redselig und etwas umständlich, von ihren jeweiligen Heimatländern, Indien und Japan, die sie zwar schrecklich vermißten, doch nicht so sehr, daß sie in ein Flugzeug steigen und dorthin fliegen würden. Und Changez - wenn ich mich nicht völlig in meinem Changez täuschen sollte - verfluchte jeden Pakistani oder Inder, der ihm auf der Straße begegnete. »Sieh dir diesen Pöbel an«, sagte er mit lauter Stimme, blieb stehen und zeigte auf seine Landsleute - auf einen Kellner, der zur Arbeit eilte, auf einen alten Mann, der gemächlich zum Tagesheim schlurfte, oder auf eine Gruppe Sikhs, die auf dem Weg zu ihrem Steuerberater waren. »Zugegeben, sie haben eine Seele, aber in diesem Land herrscht deshalb ein so böser Rassismus, weil die da so dreckig aussehen, weil sie sich so ungehobelt und rüpelhaft benehmen. Und wie sie sich anziehen, mit diesen Turbanen und so, das muß einem Engländer ja ganz seltsam Vorkommen. Wenn sie akzeptiert werden wollen, dann müssen sie sich den Engländern anpassen und ihre dreckigen Dörfer vergessen! Sie müssen sich entscheiden, ob sie hier oder dort leben wollen. Schau dir doch an, wie sehr ich mich diesem Land angepaßt habe! Und warum sieht dieser Idiot da dem Engländer nicht in die Augen? Da ist es doch kein Wunder, wenn er von dem Engländer verprügelt wird!«
    Plötzlich hallte durch ganz Lewisham bis nach Catford und Bromley ein gellender Schrei. Mitten in seiner Hetzrede unterbrochen, drehte Changez sich in seinen unverschnürten Hush Puppies so rasch wie möglich um, und das war

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