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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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manchmal hatte sich auf ihrer Brust etwas Schweiß angesammelt, der im Schlaf aus den Weiten ihres Körpers aufgestiegen zu sein schien. Ich erinnerte mich, daß auf einer von Tante Jeans Parties, als Mum sich nervös durch einen Kuchen, so groß wie ein Damenhut, hindurchfutterte, mein Vater einmal betrunken zum Bürgermeister gesagt hatte: »Wir kleinen Inder lieben dralle, weiße Frauen mit stämmigen Schenkeln.« Vielleicht lebte ich seine Träume aus, wenn ich Eleanors Schenkel umarmte, mit meiner Hand leicht über ihren Körper fuhr, sie wachküßte und meine Zunge in ihre Möse steckte, wenn sie die Augen öffnete. Wir liebten uns im Halbschlaf, doch manchmal stiegen dabei auch beunruhigende Bilder in mir auf. Hier lagen wir, ein zärtliches und leidenschaftliches Paar, aber, so fragte ich mich verwundert, was für ein seltsames Wesen ist doch der Mensch, daß er im Augenblick der Vereinigung und auf dem Weg zum Höhepunkt Vergewaltigungen, Massaker, Folterungen und Morde fantasiert? Teufel plagten mich. Ich hatte ständig das Gefühl, daß schreckliche Dinge geschehen würden.
    Nachdem Eleanor und ich die Wohnung leergeräumt hatten, und bevor Ted und Eva mit dem Renovieren begannen, blieb ich ein paar Tage bei Jeeta und Anwar. Ich wollte nur abends im Laden arbeiten und etwas Geld verdienen und hatte gar nicht die Absicht, mich in irgendwelche ernsthaften Auflösungsaktionen einzumischen. Aber es hatte sich vieles geändert.
    Onkel Anwar schlief kaum noch. Nachts saß er auf der Kante seines Stuhls, rauchte und trank unislamische Drinks, dabei hing er schwermütigen Gedanken nach, träumte von fremden Ländern, von fast vergessenen Häusern, Müttern und weiten Stränden. Anwar arbeitete nicht mehr im Laden, selbst der Blick auf Ladendiebe und Mädchenknie reizte ihn nicht mehr. Wenn Jamila vor der Arbeit nach ihrer Mutter sah, fand sie Anwar oft betrunken auf dem Boden liegend und nach Elend stinkend. Anwars Hungerstreik hatte ihn in seiner Familie nicht gerade beliebt gemacht, und jetzt kümmerte sich niemand mehr um ihn, keiner fragte nach seinem zerbrechenden Herzen. »Verscharr mich in einem Armengrab«, bat er mich. »Ich bin fertig mit der Welt, Karim, mein Junge.« »Schon gut, Onkel«, gab ich ihm zur Antwort. Und während Anwar zusehends verfiel, wurde Prinzessin Jeeta immer stärker; es sah aus, als würde ihr eine eiserne Nase wachsen, mit der sie, wie an einem Haken, schwere Kisten mit Corned Beef hätte anheben können. Sie ließ den betrunkenen Anwar auf dem Boden liegen, putzte sich höchstens die Füße an ihm, wenn sie vor ihrem Gemüsereich die Jalousien hochzog. Und es war Jamila, die ihn aufheben und in einen Sessel setzen mußte, wobei sie nie miteinander sprachen, sondern sich nur mit amüsierten, wütenden und doch liebevollen Blicken ansahen.
    Langsam merkte ich, daß Anwars Unglück nicht nur ihm selbst zuzuschreiben war. Er war das Opfer einer Kampagne. Seit seinem Versuch, sich zu Tode zu hungern, hungerte Prinzessin Jeeta ihren Mann auf ihre eigene Art zu Tode, behutsam, doch beharrlich, Monat um Monat. Sie ließ ihn unter bestimmten, kaum faßlichen Entzugserscheinungen leiden. So redete sie zwar mit ihm, doch nur manchmal, und sie achtete darauf, daß sie dabei nicht lachte. Anwar begann, an Unterernährung infolge Zufuhr von unverdünnter Ernsthaftigkeit zu leiden. Wem nie Witze erzählt werden, der leidet bald an Lachmangel. Jeeta kochte auch weiterhin für ihn, doch nur noch einfache Mahlzeiten; sie brachte ihm jeden Tag das gleiche und auch das erst lange nach der gewohnten Zeit, wenn Anwar bereits schlief oder gerade beten wollte. Und das Essen war absichtlich so zubereitet, daß es Verstopfungen verursachte. Tage vergingen ohne Hoffnung auf Erleichterung.
    »Ich steck bis oben hin voll Scheiße«, sagte Anwar zu mir. »Ich fühl mich, als wär ich aus Beton. Die Scheiße verstopft mir sogar die Ohren, Junge. Sie sitzt mir in der Nase, und selbst durch die verdammten Poren schwitze ich sie aus.« Als er Jeeta von seinen Scheißschwierigkeiten erzählte, sagte sie kein Wort, aber an diesem Tag änderte sich sein Essen. Jetzt konnte er sich erleichtern, und wie. Wochenlang berührte Anwars Scheiße kaum noch den Rand der Kloschüssel, denn sie war so dünn, daß sie noch durch ein Nadelöhr geflossen wäre. Prinzessin Jeeta hörte nicht auf, den Herrn und Meister um seinen Rat zu fragen, doch nur in Kleinigkeiten, etwa bei der Frage, ob sie saure Sahne einlagern solle oder

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