Der Buddha aus der Vorstadt
Proben wieder anfingen, lieh ich mir Teds Lieferwagen aus und half Jamila und Dildo-Killer beim Umzug. Als ich mit einer Wagenladung voll Taschenbüchern, den gesammelten Werken von Conan Doyle und verschiedenen Sex-Utensilien vor dem Haus aufkreuzte, war ich überrascht, ein großes, doppelfassadiges und von der Hauptstraße etwas nach hinten versetztes Gebäude vor mir zu sehen, das von einer dichten Hecke verdeckt wurde. Überall im Garten verstreut, entdeckte ich verrottende Zeltplanen, alte Badewannen, zerfledderte Zeitschriften und durchweichte Schutthaufen; das stattliche Haus selbst hatte Risse und Sprünge wie ein altes Gemälde. Aus einer Regenrinne floß Wasser über die Wände. Und drei Skinheads, so respektabel wie Beamte, obwohl einer von ihnen sich ein Spinnennetz ins Gesicht tätowiert hatte, standen vor dem Haus und grölten.
Das Haus selbst quoll über von fleißigen und schwer schuftenden, ernsthaften und lustigen Vegetariern, mit Examen in diesem und jenem, die über Cage und Schumacher diskutierten, während sie in blauen Arbeitshosen und Overalls Toilettenspülkästen nach draußen schleppten. Changez stand vor einem Banner, auf dem zu lesen war: »Amerika, wo bist du nun? Kümmerst du dich nicht mehr um deine Söhne und Töchter?« Er sah aus wie Oliver Hardy in einem Zimmer mit lauter Paul Newmans und war so ängstlich wie ein kleiner Junge am ersten Schultag. Wenn jemand an ihm vorbeistürzte und sagte: »Die Zivilisation entwickelt sich in die falsche Richtung«, zog Changez ein Gesicht, als wäre er überall lieber gewesen als in Utopia. Tarotkarten sah ich keine, aber ich hörte jemanden sagen, daß sie mit dem Garten »Liebe machen« wollten. Ich ließ Changez zurück und fuhr eilig nach Hause, um meiner Rolle einige neue Aspekte hinzuzufügen.
Es gab nur wenige Aufgaben, die mir so viel Spaß machten wie die Entwicklung der Figur Changez/Tariq. Mit einem Bier und dem Schreibblock auf dem Tisch konzentrierte ich mich zum erstenmal seit meiner Kindheit auf etwas, das mich völlig in Anspruch nahm. Meine Gedanken rasten: Eine Idee zog die nächste nach sich wie ein Taschentuch das andere aus dem Ärmel eines Zauberers. Ich deckte Ahnungen auf, Gemeinsamkeiten, Ideen, von denen ich vorher nicht gewußt hatte, daß sie in mir bereitlagen. Ich wurde energischer und lebhafter, seit ich neue Farben und Schattierungen ausprobierte. Ich arbeitete regelmäßig und führte Tagebuch; ich sah, daß das Schöpferische ein eigener Prozeß des Wachsens war, der sich nicht bewußt beschleunigen ließ und Geduld und vor allem Liebe verlangte. Ich fühlte mich stärker, und mein Kopf war nicht länger nur eine Art Kino für Myriaden von Impressionen und Gefühlen, die dort an mir vorbeizogen. Was ich tat, war eine lohnende und wichtige Arbeit, sie verband die einzelnen Elemente meines Lebens zu einem Ganzen. Und dies hatte ich Pyke zu verdanken, er hatte mir gezeigt, wie ein kreatives Leben aussehen konnte. Ich bewunderte ihn also trotz der Dinge, die er mir angetan hatte. Ich machte ihm daraus keinen Vorwurf und war bereit, den Preis dafür zu zahlen, daß er ein Romantiker, ein Experimentator war. Er mußte seiner Wißbegier nachgehen und seinen Gefühlen folgen, wohin sie ihn auch führten, selbst wenn es bis in meinen Arsch und in die Möse meiner Freundin war.
Als ich einige Wochen später wieder zur Kommune kam, um neue Ideen für Changez/Tariq zu sammeln und zu sehen, wie Changez sich eingelebt hatte, war der Vorgarten aufgeräumt. Gerüstholz stapelte sich und wartete darauf, vor dem Haus aufgebaut zu werden. Man wollte das Dach neu eindecken. Onkel Ted beriet bei der Renovierung und hatte bereits einige Male mit angefaßt.
Mir gefiel es, die Vegetarier und ihre Freunde zusammen arbeiten zu sehen, selbst wenn sie sich alle Genossen nannten. Ich blieb gerne bis spät am Abend und trank mit ihnen, obwohl sie nur auf biologischem Wein standen. Und wenn er sie überreden konnte, »Nashville Skyline« einmal abzustellen, legte Simon - ein radikaler, bartloser Rechtsanwalt mit kurzem Haar und Schlips, der die Kommune zu führen schien - Charlie Mingus und das Mahavishnu Orchestra auf. Er sagte mir, welcher Jazz mir gefallen könnte, denn inzwischen fand ich die neue Musik, ehrlich gesagt, tödlich langweilig.
Wenn wir am Tisch saßen, redeten wir davon, wie die neue, gleichberechtigte Gesellschaft aufzubauen sei. Um nicht für dumm gehalten zu werden, sagte ich kein Wort; aber mir war klar, wie
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