Der Buddha aus der Vorstadt
ich.
»Was würdest du denn gerne machen wollen?« fragte sie ihn.
»Mit dir gehen. Laß uns zusammen gehen, ja? Mann und Frau, immer zusammen, obwohl wir so verschieden sind, okay?«
»Nein.« Sie schüttelte bestimmt, wenn auch etwas traurig den Kopf. »Nicht unbedingt.«
Ich mischte mich ein: »Changez kann allein nicht überleben, Jammie. Und ich gehe bald auf Tournee. Was glaubst du, was dann mit ihm geschehen wird?«
Sie sah uns beide eindringlich an, doch sie redete nur mit Changez. »Darüber mußt du selbst nachdenken. Warum gehst du nicht zu deiner Familie nach Bombay zurück? Sie hat doch ein Haus, hast du mir erzählt. Da ist Platz genug, da sind Diener, Chauffeure.«
»Aber du bist doch meine Frau.«
»Nur vor dem Gesetz«, sagte sie sanft.
»Du wirst immer meine Frau sein. Das Gesetz ist unwichtig, das verstehe ich. Aber in meinem Herzen bleibst du immer meine Jamila.«
»Ach, Changez, du weißt doch, daß es nie so gewesen ist.« »Ich geh nicht zurück«, sagte er kategorisch. »Niemals. Du wirst mich nicht dazu zwingen können.«
»Ich will dich zu überhaupt nichts zwingen. Du mußt tun, was du tun willst.«
Changez war keineswegs der Narr, für den ich ihn immer gehalten hatte. Er hatte seine Jamila seit langem genau beobachtet. Er wußte, welche Worte er gebrauchen mußte. »Das ist mir zu westlich«, sagte er. Einen Augenblick glaubte ich, er würde sogar »eurozentristisch« sagen, doch er beschloß, sich das Wort für eine spätere Gelegenheit aufzuheben. »Hier, in diesem Kapitalismus der Gefühle, kümmert sich doch keiner um den anderen. Stimmt’s?«
»Das stimmt«, gab Jamila zu.
»Jeder fault allein vor sich hin. Keiner greift dem anderen unter die Arme, wenn der erst einmal am Boden liegt. Dieses industrielle System hier ist zu hart für mich. Also werde ich zugrundegehen. Trotzdem«, sagte er laut, »ich werde es allein versuchen.«
»Aber du selbst, was willst du eigentlich?« fragte sie ihn. Er zögerte. Er sah sie flehentlich an.
Sie sprach schnell, schicksalshaft schnell, vielleicht ohne es sich zu überlegen: »Würdest du gern mit mir gehen?« Changez nickte. Er wagte es kaum, seinen eigenen, haarigen Ohren zu glauben. »Bist du denn sicher, daß das möglich ist?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie.
»Natürlich ist es möglich«, sagte er.
»Changez -«
»Prima«, sagte ich. »Ausgezeichnet.«
»Aber ich habe noch nicht richtig darüber nachgedacht.« »Wir können es irgendwann einmal in Ruhe besprechen«, sagte er.
»Aber ich bin mir nicht sicher, Changez.«
»Jamila.«
»Wir werden nicht Mann und Frau sein - du weißt doch, daß wir das nie sein werden, nicht wahr?« sagte sie. »In dem Haus wirst du wie alle anderen am Gemeinschaftsleben teilnehmen müssen.«
»Ich glaube, in Gemeinschaft wird sich unser alter Changez ganz fantastisch halten«, sagte ich, da der Dildo-Killer schon wieder heulte, diesmal allerdings vor Erleichterung. »Er wird euch beim Abwasch helfen. Geschirr und Besteck handhabt er wie ein echter Zauberkünstler.«
Jetzt würde sie ihn nicht wieder los. Es gab keinen anderen Ausweg. Sie sagte:
»Aber du wirst für dich bezahlen müssen, Changez. Anders geht’s nicht. Mein Vater hat die Miete für diese Wohnung bezahlt, aber die Zeiten sind vorbei. Du wirst schon selbst für deine Kosten aufkommen müssen.« Und zaghaft fügte sie hinzu: »Du wirst wohl ums Arbeiten nicht mehr herumkommen.«
Das war zuviel für ihn. Changez sah besorgt zu mir herüber. »Aufregend, he?« sagte ich.
Wir sprachen noch einmal über alles. Er würde mit ihr gehen. Jamila konnte sich nicht mehr herausreden.
Während ich Jamila beobachtete, dachte ich daran, was für ein wundervoller Mensch sie geworden war. Sie schien heute nicht besonders gut gelaunt zu sein, und sie behandelte mich sowieso oft von oben herab, die hochmütige Kuh, aber trotzdem sah ich in ihr einen tiefen Willen, eine Begeisterung für das, was in der Welt geschah, und eine große Kraft zur Liebe. Ihre Weiblichkeit, ihr Selbstwertgefühl und die Konflikte, die sich daraus ergaben, die Ziele und Pläne, die sie hatte, die Beziehungen - von denen sie wollte, daß sie sich so und nicht anders entwickelten -, die Dinge, die sie sich selbst beigebracht hatte und die ihr so vieles verstehen halfen, schienen heute abend wie von innen her zu leuchten, während sie Anstalten machte, als indische Frau ein nützliches Leben im weißen England zu leben.
Da ich noch etwas Zeit hatte, ehe die
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