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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Frau dazu zu überreden. Also trieben wir es wahllos mit jeder, die sich uns anbot.
    Eines Morgens, als wir uns in einem Cafe in der Nähe gerade über Hörnchen, Müsli und eisgekühlten Orangensaft beugten und von unserer lausigen Penne redeten, als wären wir in Eton gewesen, sagte Charlie, daß es da ein paar Sexgeschichten gäbe, an die er hätte denken müssen und die er gern mal ausprobieren würde. »Ich bin scharf auf das totale Erlebnis«, sagte er. »Hättest du Lust mitzumachen?«
    »Wenn du willst.«
    »Wenn du willst? Ich biete dir etwas Einmaliges, Mann, und du sagst: >Wenn du willst.< Früher war mehr mit dir los.« Er sah mich verächtlich an. »Du und dein kleiner brauner Hintern, ihr würdet stundenlang voller Entzücken jedes ranzige Loch rammeln, Pilz und Schimmel zur Seite schieben und dann -«
    »Du kannst mit mir rechnen.«
    »Yeah, aber du siehst nicht gerade zufrieden aus.«
    »Ich weiß nicht, was ich machen soll«, sagte ich.
    »Hör zu.« Er beugte sich zu mir vor und schlug auf den Tisch. »Nur wenn wir bis an unsere Grenzen gehen, erfahren wir etwas über uns selbst. Und dahin will ich, an die Grenze. Denk an Kerouac und all die anderen Typen.« »Yeah, ich denk dran. Und was dann, Charlie?«
    »Jetzt bin ich an der Reihe«, sagte er. »Laß mich ausreden. Wir werden es bis zum Äußersten treiben. Noch heute abend.«
    Also kam nachts um zwölf eine Frau namens Frankie vorbei. Ich ging nach unten, um sie hereinzulassen, während Charlie hastig die erste Platte von Velvet Underground auflegte - wir hatten eine halbe Stunde gebraucht, um uns für die richtige Musik zu entscheiden. Frankie trug einen kurzen Bürstenhaarschnitt, hatte ein knochiges Gesicht, blasse Haut und schlechte Zähne; außerdem war sie jung, Anfang Zwanzig, hatte eine tiefe, volle Stimme und ein herzhaftes Lachen. Sie trug ein schwarzes Hemd zu einer schwarzen Hose. Als ich sie fragte: »Und was machst du so?«, muß ich wie einer dieser bügelfreien Langweiler auf Evas längst vergangenen Beckenham-Parties geklungen haben. Sie sei Tänzerin, sagte Frankie, Performer in und spiele E-Cello. Etwas später meinte sie dann: »Sado/Maso interessiert mich.
    Schmerz als Spiel. Eine tiefe menschliche Liebe zum Schmerz. Glaubst du nicht, daß es ein Verlangen nach Schmerz gibt?«
    Offenbar würden wir heute nacht herausfinden, ob es ein Verlangen nach Schmerz gab. Ich sah zu Charlie hinüber, weil ich versuchen wollte, die Situation etwas aufzuheitern, aber er beugte sich vor und nickte Frankie aufgeregt zu. Als er sich erhob, stand ich auch auf. Frankie nahm meinen Arm. Sie hielt auch Charlie bei der Hand. »Vielleicht solltet ihr beide euch erst aneinander gewöhnen, eh?« fragte sie. Ich betrachtete Charlie und rief mir die Nacht in Beckenham in Erinnerung, als ich versucht hatte, ihn zu küssen und er sein Gesicht abgewandt hatte. Ich wußte noch, wie sehr er mich damals gewollt hatte - er ließ sich immerhin von mir streicheln -, und wie sehr er sich gegen sein Gefühl gesperrt hatte, als könnte er sich von dem, was wir taten, distanzieren und dennoch weitermachen. Dad hatte das gespürt. Es war auch die Nacht gewesen, in der Dad Eva auf dem Rasen gebumst hatte, es war die Nacht meiner Einführung in Verrat, Hinterlist und Betrug gewesen, der Beginn der Jagd auf Herzen. Heute nacht war Charlies Gesicht offen und freundlich, keine Spur von Ablehnung, nur Lust und Leidenschaft. Er wartete darauf, daß ich etwas sagte. Ich hatte nie geglaubt, daß er mich je so ansehen würde.
    Wir gingen nach oben. Charlie hatte das Zimmer vorbereitet. Es war dunkel, nur von Kerzen beleuchtet, eine an jeder Seite des Bettes und drei auf den Bücherregalen. Aus irgendeinem Grund hatte Charlie gregorianische Gesänge aufgelegt. Wir hatten uns stundenlang deswegen gestritten, aber wenn er gefoltert würde, meinte Charlie, wolle er keine Musik hören, mit der er etwas anfangen könne. Charlie zog sich aus. Er war schlanker, als ich ihn in Erinnerung hatte, muskulös, sehnig. Frankie legte ihren Kopf in den Nacken, und er küßte sie. Ich stand da und räusperte mich. »Seid ihr sicher, daß ihr mich dabeihaben wollt?«
    »Wieso?« fragte Frankie und blickte mich über ihre Schulter hinweg an. »Warum denn nicht?«
    »Seid ihr sicher, daß ihr einen Zuschauer dabeihaben wollt?«
    »Ist doch nur Sex«, sagte sie. »Er wird schließlich nicht operiert.«
    »Ja, ja, ich meine nur -«
    »Setz dich, Karim, verdammt noch mal«, sagte Charlie. »Hör

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