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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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wieder und gab sich den Schmerzen hin; schließlich war es das, was er gewollt hatte. Frankie ließ ihn danach einige Minuten so liegen, damit er sich in seinem selbsterwählten Gefängnis aus Leid und Lust zurechtfinden konnte. Als sie zurückkam, hing ich meinen eigenen Gedanken nach. Und in diesem Moment, als Frankie die Kerze ausblies, sie einfettete und ihm in den Arsch stieß, wußte ich, daß ich Charlie nicht mehr liebte. Er interessierte mich auch nicht mehr. Er war mir völlig egal geworden. Ich hatte ihn hinter mir gelassen und mich selbst entdeckt durch das, was ich zurückgewiesen hatte. Er kam mir nur noch lächerlich vor. Ich stand auf. Es überraschte mich, daß Charlie nicht nur noch am Leben war, sondern sogar einen Ständer hatte. Ich vergewisserte mich, indem ich nahe genug ans Bett ging. Ich hockte mich auf den Logenplatz und sah Frankie zu, die auf ihm saß, ihn vögelte und mir mit Gesten zu verstehen gab, daß ich Charlie die Klammern abnehmen sollte, wenn es ihm kam. Ich war froh, nicht völlig überflüssig zu sein. Dieser herrliche Abend wurde nur dadurch getrübt, daß Frankie eine ihrer Kontaktlinsen verlor. »Verdammter Mist«, sagte sie, »ich hab nur dieses eine Paar.« Also suchten Charlie und ich auf Händen und Knien eine halbe Stunde lang den Boden ab. »Wir müssen die Dielen aufreißen«, sagte Frankie schließlich. »Gibt's hier im Haus vielleicht ein Stemmeisen?«
    »Nimm doch meinen Schwanz«, sagte Charlie.
    Er gab ihr etwas Geld und sagte ihr, sie solle verschwinden.
    Nach diesem Abend entschloß ich mich, nach London zurückzufliegen. Meine Agentin hatte angerufen und gesagt, ich solle für eine wichtige Rolle vorsprechen. Sie sagte, es könnte die wichtigste Rolle meines Lebens sein, was für mich eigentlich Grund genug war, gar nicht erst hinzugehen. Aber da es außerdem das einzige Vorsprechen war, daß mir meine Agentin überhaupt hatte beschaffen können, hatte ich vor, sie mit meinem Erscheinen zu belohnen.
    Ich wußte, daß es Charlie nicht gefallen würde, wenn ich New York verließ, und ich brauchte ein paar Tage, um den Mut aufzubringen, ihm meine Entscheidung mitzuteilen. Als ich es ihm dann sagte, lachte er nur, als hätte ich eigentlich etwas ganz anderes im Sinn und wollte nur mehr Geld oder so etwas. Er forderte mich gleich auf, ganztags für ihn zu arbeiten. »Ich will dich schon seit einigen Tagen darum bitten«, sagte er. »Wir teilen uns Arbeit und Vergnügen. Ich red mit Fisch über dein Gehalt. Du wirst einen fetten Lohn kriegen. Du wirst ein richtig fetter, kleiner, brauner Krösus werden, nicht wahr, mein Kleiner?«
    »Ich glaub nicht, Großer. Ich will nach London zurück.« »Wovon redest du überhaupt? Du sagst, du willst nach London? Aber ich mach eine Tournee rund um die Welt. LA, Sydney, Toronto. Und ich will, daß du mitkommst.«
    »Ich will mich in London nach Arbeit umsehen.«
    Er wurde wütend. »Ist doch völlig bescheuert, hier abzuhauen, wenn es gerade interessant wird. Du bist ein guter Freund. Ein guter Assistent. Bei dir klappt die Arbeit immer wie am Schnürchen.«
    »Bitte gib mir das Geld für den Flug. Ich bitte dich, mir zu helfen. Ich will nach England; das ist es, was ich wirklich will.«
    »Was du willst, eh?«
    Er lief auf und ab und redete, wie ein Professor zu Studenten redet, die er noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hat.
    »England hat abgewirtschaftet. Keiner glaubt mehr an irgend etwas. Hier, in den Staaten, liegen Geld und Erfolg auf der Straße. Die Menschen hier wollen etwas, sie haben ein Ziel. England ist gar kein so schlechtes Land, wenn man reich ist, aber wenn nicht, ist es ein Scheiß-Sumpf voller Vorurteile, Klassengegensätze und all dem Mist. Nichts funktioniert drüben. Und kein Mensch arbeitet da -« »Charlie -«
    »Deshalb laß ich dich auf keinen Fall gehen. Wenn du dich hier durchschlagen kannst, warum willst du dann woanders hin? Was soll das? Du kriegst in Amerika alles, was du haben willst. Und was willst du? Sag schon, was willst du haben?« »Charlie, ich bitte dich -«
    »Ich höre, daß du mich bittest, Mann! Ich hör dich flehen! Und ich werde dich erretten!«
    Das war alles. Er setzte sich hin und sagte kein Wort mehr. Am nächsten Tag, als ich zur Rache kein Wort mehr mit ihm sprach, platzte Charlie endlich heraus: »Okay, okay, wenn es dir so viel bedeutet, kauf ich dir ein Ticket nach London.
    Du mußt mir bloß versprechen, daß du wieder zurückkommst.«
    Ich versprach es ihm. Er

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