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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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verlaufen würden, aber inzwischen war deutlich geworden, daß er niemals arbeitslos werden würde in dieser Stadt, in der es vor einsamen, unglücklichen und verunsicherten Menschen nur so wimmelte, die alle nach einer führenden Hand, nach Unterstützung und Mitleid verlangten.
    Eva nahm mich mit in die Küche, um mir einige Suppenschüsseln zu zeigen. Sie hatte sich außerdem den Druck eines Tiziangemäldes gekauft; darauf war ein junger Mann mit langem Haar zu sehen, der mich an den Charlie meiner Schulzeit erinnerte. Langstielige Tulpen und gelbe Narzissen standen in Krügen auf dem Tisch. »Ich bin so glücklich«, sagte Eva, als sie mir ihre Neuerwerbungen zeigte. »Aber ich hab’s eilig. Irgendwie sollte man mal bald etwas gegen den Tod erfinden. Ist doch einfach lächerlich, so jung schon zu sterben. Ich möchte mindestens hundertfünfzig werden. Das Leben fängt doch jetzt erst richtig an.«
    Später setzte ich mich zu Dad. Er war gewichtig und fett geworden; die obere Hälfte seines Gesichts bestand aus schlaffen Hautsäcken, die in Kaskaden über seine Wangen fielen. »Du hast mir noch nichts von dem erzählt, was du in letzter Zeit so getrieben hast«, sagte er. Ich wollte ihn mit der Neuigkeit von meiner Rolle in der Fernsehserie regelrecht überwältigen. Aber immer, wenn ich jemanden beeindrucken will, dann klappt es nicht; meistens sind die Leute alles mögliche, nur nicht beeindruckt. »Ich arbeite beim Fernsehen«, sagte ich und imitierte Changez’ Stimme. »Spitzen-Lohn, Spitzen-Job, einfach ein Spitzen-Typ.«
    »Mach dich nicht lustig über mich. Benimm dich nicht, als wärst du der letzte Idiot«, sagte er.
    »Tu ich nicht. Hab ich nicht.«
    »Jetzt lügst du auch noch.«
    »Dad -«
    »Wenigstens hängst du nicht faul herum, und man kann zumindest sehen, daß du was tust.«
    Ich fühlte mich gedemütigt und lief vor Wut rot an. Nein, nein, nein, wollte ich schreien. Wir mißverstehen uns schon wieder! Aber die Sache klarzustellen, war unmöglich geworden. Wahrscheinlich hört man nie auf, sich vor seinen Eltern wie ein Achtjähriger zu fühlen. Man beschließt, seine ganze Reife zu zeigen, lieber wohlüberlegt und bedacht als auf die übliche elementare Art zu reagieren, gleichmäßig tief aus dem Bauch heraus zu atmen und seine Eltern wie gleichberechtigte Menschen zu behandeln, und innerhalb von fünf Minuten sind alle guten Vorsätze beim Teufel, und man brabbelt und tobt vor Wut wie ein zorniges Kind.
    Ich konnte kaum reden, bis Dad mir schließlich die Frage stellte, die ihm so schwer über die Lippen kam und doch dem einzigen in der Welt galt, das ihn wirklich interessierte. »Wie geht es deiner Mutter?« fragte er.
    Ich sagte ihm, daß es ihr gutgehe, besser sogar, als jemals zuvor in den letzten Jahren, daß sie lebendig und optimistisch sei. »Gütiger Gott«, sagte er rasch. »Wieso denn? Sie war zwar immer die liebste Frau der Welt, aber doch auch fürchterlich depressiv.«
    »Stimmt schon, aber seit einiger Zeit trifft sie sich mit jemandem - mit einem anderen Mann.«
    »Einem Mann? Was für einem Mann? Bist du sicher?« Seine Fragen wollten gar nicht mehr abreißen. »Wer ist es? Wie sieht er aus? Wie alt ist er? Was macht er?«
    Ich überlegte mir meine Antwort genau, erst recht, weil ich sah, daß Eva hinter Dad im Flur stand. Sie stand dort ganz unbekümmert, als unterhielten wir uns über unsere Lieblingsfilme. Ihr fehlte der Anstand, uns allein zu lassen. Sie wollte genau wissen, was los war, denn in ihrem Herrschaftsbereich duldete sie keine Geheimnisse.
    Mums Freund sei nichts Besonderes, sagte ich zu Dad. Auf jeden Fall kein Beethoven. Aber er sei jung, und er kümmere sich um sie. Dad wollte nicht glauben, daß es so einfach sein könne; nichts stellte ihn zufrieden. Er sagte: »Glaubst du - ich meine, du kannst das natürlich gar nicht wissen, wie solltest du auch, es geht dich ja nichts an, mich ja eigentlich auch nicht, aber könntest du dir vorstellen, oder hast du vielleicht von Allie oder von ihr gehört, wo du doch deine große Nase sowieso ständig in anderer Leute Angelegenheiten steckst - ich meine, glaubst du, daß er sie küßt?«
    »Ja.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Klar bin ich mir sicher. Seit sie ihn kennt, macht ihr das Leben wieder Spaß. Ist das nicht fantastisch?«
    Das schien ihn zu überwältigen. »Nichts wird mehr so sein wie früher«, sagte er.
    »Wie sollte es auch?«
    »Du weißt nicht, wovon du redest«, sagte er und wandte sich ab. Dann sah

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