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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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öffentlichen Dienst, der seine Zähne nur mit dem schwarzen Zahnpulver, Marke Monkey, der Firma Nogi & Co. aus Bombay putzte, aus eigener Kraft in den weisen Ratgeber verwandelt hatte, der er heute zu sein schien. Sexy Sadie! Jetzt stand er im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Wenn sie ihn in Whitehall nur so sehen könnten!
    Er sprach mit Eva, und sie legte ganz beiläufig ihre Hand auf seinen Arm. Diese Geste sagte alles, sie schrie es hinaus. Ja, rief sie, wir sind zusammen, wir berühren uns vor Fremden ohne jede Hemmung. Verwirrt drehte ich mich um und wandte mich der Sache mit Helen zu.
    »Nun?« fragte sie sanft.
    Sie war scharf auf mich.
    Ich war mir sicher; ich hatte nämlich eine todsichere Methode entwickelt, mit der ich Geilheit bestimmen konnte. Die Methode besagte, daß sie scharf auf mich war, weil ich kein Interesse an ihr hatte. Wenn ich jemanden für attraktiv hielt, dann garantierten die korrupten Gesetze, die dieses Universum regieren, daß dieser Mensch mich entweder widerlich oder einfach nur zu klein fand. Wenn ich mit Menschen wie Helen zusammen war, die mich nicht interessierten, garantierten diese Gesetze aber auch, daß die Chancen gar nicht schlecht standen, daß diese Menschen mich ansahen, so wie sie mich jetzt ansah: mit einem schamlosen Lächeln und voller Lust, mir meinen Willi zu rubbeln, und nichts in der Welt wäre mir lieber gewesen, wenn ich sie oder ihn attraktiv fand. Bei ihr war das nicht der Fall.
    Mein Vater, der große Weise, von dessen Lippen Ratschläge tropften wie Regen über Seattle, hatte mit mir nie über Sex geredet. Als ich seinen Liberalismus auf die Probe stellen wollte und ihn aufforderte, mich über die Tatsachen des Lebens aufzuklären (über die die Schule mich längst unterrichtet hatte, auch wenn ich die Worte »Uterus«, »Skrotum« und »Vulva« noch ständig durcheinanderbrachte), murmelte er nur: »Man kann immer leicht erkennen, wenn eine Frau zu Sex bereit ist. Wirklich, ganz leicht. Sie kriegt dann heiße Ohren.«
    Ich sah angestrengt auf Helens Ohren. Ich streckte sogar meinen Arm aus und kniff ihr aus Gründen wissenschaftlicher Überprüfung leicht in ein Ohr. Lauwarm!
    O Charlie. Mein Herz sehnte sich danach, seine heißen Ohren auf meiner Brust zu spüren. Aber seit wir uns das letztemal geliebt hatten, hatte er mich weder angerufen noch sich die Mühe gemacht, hier aufzukreuzen. Er war auch nicht in der Schule gewesen, weil er eine Demo-Kassette mit seiner Band schneiden mußte. Der Schmerz, ohne diesen Scheißer leben zu müssen, der cold turkey, an dem ich litt, war nur durch den Gedanken ertragbar gewesen, daß er sich heute nacht neue Einsichten von meinem Vater erhoffen würde. Aber bis jetzt war von ihm noch keine Spur zu sehen.
    Eva und Marianne begannen, das Zimmer vorzubereiten. Die Kerzenindustrie wurde gefördert, Jalousien heruntergelassen, indische Sandelholzstinker angezündet und in Blumentöpfe gesteckt, und ein schmaler Teppich wurde für den Buddha von Suburbia ausgebreitet, damit er darauf abheben konnte. Eva verbeugte sich vor ihm und überreichte ihm eine gelbe Narzisse. Gott lächelte denen zu, die er vom letzten Mal her wiedererkannte. Er wirkte diesmal souverän und gelassen, entspannter, nicht so unruhig, und gestattete es seinen Bewunderern, ihm mit Respekt und Achtung zu begegnen, Gefühle, die Eva in ihren Freunden geweckt haben mußte.
    Dann betraten Onkel Ted und Tante Jean das Zimmer.
     

Kapitel drei

    Da waren sie - zwei gewöhnliche, unglückliche Alkoholiker, sie in rosa Stöckelschuhen, er in einem zweireihigen Anzug, angezogen wie für eine Hochzeit, und kamen beinahe nichtsahnend, wie zu einer Party. Es waren Mums hochgewachsene Schwester Jean und ihr Gatte Ted, der eine Firma für Zentralheizungen besaß, die sich Peter’s Heaters nannte. Und sie machten Stielaugen, als sie sahen, wie ihr Schwager, den sie Harry nannten, sich vor ihren Nachbarn in Yoga-Trance versetzte. Jean rang um Worte, wohl das einzige, worum sie in ihrem Leben je gerungen hatte. Eva hob einen Finger an die Lippen, und Jeans Mund schloß sich so langsam wie die Tower Bridge. Teds Blicke durchsuchten das Zimmer nach einem Anhaltspunkt, der ihm erklären würde, was hier eigentlich vor sich ging. Er entdeckte mich, und ich nickte ihm zu. Er war fassungslos, ärgerte sich aber nicht so sehr wie Tante Jean.
    »Was macht Harry da?« formten seine Lippen lautlos.
    Ted und Jean hatten Dad noch nie bei seinem indischen Namen, Haroon Amir,

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