Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
Vom Netzwerk:
sie, wie man Regale anbringt oder den Zaun repariert. Und was kannst du? Aber dann wäre Mum beinahe gestrauchelt so wie wir gerade, weil man die Straßen extra voller Steine und Schlaglöcher läßt, um gewöhnliche Menschen davon abzuhalten, auf ihr hin und her zu fahren.
    Als wir endlich über die knirschende Auffahrt gingen - mit einer kurzen Rast für Gott, damit er seine Daumen zusammenpressen und einige Minuten lang Trance üben konnte -, erzählte mir Dad, daß das Haus Carl und Marianne gehöre, Freunden von Eva, die erst kürzlich eine lange Reise durch Indien gemacht hätten. Das fiel auch gleich ins Auge, denn jeder verfügbare Platz war mit Buddhas aus Sandelholz, kupfernen Aschenbechern und gestreiften Gipselefanten dekoriert. Außerdem standen Carl und Marianne barfuß in der Tür, die Hände wie zum Gebet aneinandergelegt und den Kopf gesenkt, als wären sie Tempeldiener und nicht Teilhaber des örtlichen TV-Verleihs Rumbold & Toedrip.
    Als ich reinkam, entdeckte ich Eva sofort. Sie hatte in einem bodenlangen, roten Kleid und rotem Turban auf uns gewartet, stürzte sich jetzt auf mich und drückte mir nach zwölf Küssen drei Taschenbücher in die Hand.
    »Riech mal!« drängte sie.
    Ich steckte meine Nase zwischen die stockfleckigen Seiten. Sie rochen nach Schokolade.
    »Secondhand! Echte Zufallstreffer! Und das hier ist für deinen Dad.« Sie gab mir eine neue Ausgabe der »Erörterungen und Gespräche« des Konfuzius, übersetzt von Arthur Waley. »Bitte, heb es für ihn auf! Ist er okay?«
    »Total nervös.«
    Sie blickte sich um; etwa zwanzig Menschen waren im Zimmer.
    »Ein ganz passabler Haufen. Ziemlich blöd. Ich glaube nicht, daß er irgendwelche Schwierigkeiten haben wird. Mein Traum wäre es, ihn mit etwas sensibleren Leuten zusammenzubringen - in London. Ich bin fest entschlossen, uns alle in die City zu bringen«, sagte sie. »Aber komm, ich stell dich vor!«
    Nachdem ich ein paar Hände geschüttelt hatte, konnte ich es mir auf einem glänzendschwarzen Sofa bequem machen, meine Füße in einem kuscheligen, weißen Teppich vergraben und mich mit dem Rücken gegen eine Reihe dickleibiger, in Plastikfolie eingebundener Bücher lehnen, gekürzte Ausgaben (illustriert) von »Vanity Fair« und »The Woman in Woite«. Vor mir stand etwas, das mich an ein erleuchtetes Stachelschwein erinnerte - eine Art Glühbirne, in der Hunderte von bunten Federn steckten, die hin- und herwogten und leuchteten - zweifellos ein Gegenstand, der erst mit Hilfe halluzinogener Drogen voll zur Geltung kommen würde.
    Ich hörte, wie Carl sagte: »Es gibt zwei Arten von Menschen auf der Welt: diejenigen, die in Indien gewesen sind, und die, die nicht in Indien gewesen sind«, und mußte aufstehen und den Raum verlassen.
    Neben der doppelt verglasten Terrassentür, durch die man auf den großen Garten und den in purpurnes Licht getauchten Goldfischteich sehen konnte, war eine Bar. Bei diesem spirituellen Anlaß tranken nur wenige, aber ich hätte mir mit Leichtigkeit einige Pint hinter die Binde kippen können. Es hätte bloß nicht besonders gut ausgesehen, das war sogar mir klar. Mariannes Tochter und ein etwas älteres Mädchen in engen Hotpants servierten Lassi und scharfes, indisches Knabbergebäck, von dem man garantiert furzen mußte wie ein alter Opa auf Müslidiät. Ich half dem Hotpants-Mädchen hinter der Bar und fand heraus, daß sie Helen hieß und aufs Gymnasium ging.
    »Dein Vater sieht aus wie ein Zauberer«, sagte sie, lächelte mich an, trat mit zwei raschen Seitenschritten in meine Privatsphäre und stand neben mir. Ihre plötzliche Nähe überraschte und erregte mich. Es war nur eine kleinere Überraschung auf der Richterskala für Überraschungen, sagen wir eine Dreieinhalb-Punkte-Überraschung, aber das Meßgerät schlug aus. Inzwischen ruhten meine Augen auf Gott. Sah er wie ein Zauberer, wie ein Wundertäter aus?
    Er wirkte zumindest ziemlich exotisch. In diesem Augenblick war er wahrscheinlich der einzige Mann im südlichen England (abgesehen vielleicht von George Harrison), der eine rotgoldene Weste und einen indischen Pyjama trug. Im Vergleich zu den anderen teiggesichtigen Arbuckles mit ihren engen, bügelfreien Hemden, die an ihren Bäuchen klebten und den grauen John-Collier-Hosen, bei denen der Schritt ausbeulte und Falten warf, bewegte er sich außerdem so anmutig wie ein Wohnzimmer-Nurejew. Vielleicht war Daddio wirklich ein Zauberer, der sich (so Dads Worte) von einem Inder im

Weitere Kostenlose Bücher