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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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genannt. Für sie war er immer Harry gewesen, und auch zu anderen Leuten sprachen sie nur von Harry. Schließlich war es schon schlimm genug, daß er überhaupt ein Inder war, auch ohne diesen unaussprechlichen Namen. Sie nannten Dad Harry seit dem Tag, an dem sie sich zum erstenmal getroffen hatten, und Dad hatte nichts dagegen machen können. Also nannte er sie Gin und Tonic.
    Onkel Ted und ich waren dicke Kumpel. Manchmal gab er mir irgendwelche Jobs bei seiner Zentralheizungsfirma. Die schwereren Arbeiten bezahlte er mir. Wir aßen mit Corned beef belegte Brote und tranken Tee aus unseren Thermosflaschen. Er gab mir Sporttips und nahm mich mit nach Catford zum Hunderennen und auf die Epsom Downs. Er redete mit mir über Taubenzucht. Seit ich klein war, mochte ich Onkel Ted, weil er Sachen wußte, die auch die Väter anderer Jungens wußten, nur Dad nicht: Ted wußte über Angeln und Luftgewehre Bescheid, über Flugzeuge und darüber, wie man Strandschnecken ißt.
    Mein Verstand raste, während ich zu begreifen versuchte, wie es geschehen konnte, daß Ted und Jean hier auftauchten wie Gestalten aus einer Ealing-Komödie, die sich in einen Film von Antonioni verlaufen hatten. Sie wohnten in Chislehurst, nicht weit von Carl und Marianne, aber die beiden Paare trennten Welten. Ich konzentrierte mich, bis ich allmählich einen klareren Überblick gewann. Wie hatte es zu dieser Situation kommen können? Ich begann zu verstehen. Und was ich verstand, gefiel mir nicht.
    Die arme Mum mußte so unglücklich sein, daß sie ihrer Schwester von Dads erster Heldentat als Guru in Beckenham erzählt hatte. Und daß Mum zu schwach gewesen war, ihn davon abzuhalten, dürfte Jean vor Wut rasend gemacht haben. Wahrscheinlich haßte Jean Mum deswegen.
    Als Gott ankündigte - oder sagen wir, nachdem er mich erst vor wenigen Stunden hatte ankündigen lassen -, daß er sein Comeback als Visionär plante, hatte Mum offenbar ihre jüngere Schwester angerufen. Und Jeans Gestalt wird sich gestrafft haben, um sich in das stählerne, intrigante Messer zu verwandeln, das sie in ihrem tiefsten Innersten war. Dann trat sie in Aktion. Wahrscheinlich hatte sie Mum erzählt, daß sie Carl und Marianne kannte. Vielleicht waren die Radiatoren in diesem Haus von Peter’s Heaters installiert worden. Und Ted und Jean lebten in einem noch relativ neuen Haus in der Nähe. Das war wohl die einzige Möglichkeit, wie Carl und Marianne ein Paar wie Ted und Jean kennengelernt haben konnten. Ansonsten nämlich dürften Carl und Marianne mit ihren Büchern und Platten, den Indienreisen, mit ihrer ganzen »Kultur«, ein Greuel für Ted und Jean gewesen sein, die die Menschen nur nach Geld und Macht beurteilten. Der Rest war Angabe und Schlitzohrigkeit. Tommy Steele - dessen Eltern um die Ecke lebten - war für Ted und Jean die Verkörperung von Kultur, Unterhaltung und Showbusineß.
    Noch hatte Eva keine Ahnung, wer Ted und Jean waren. Sie winkte diesen späten und seltsam respektabel wirkenden Eindringlingen gereizt zu.
    »Setzt euch, setzt euch!« zischte sie.
    Ted und Jean sahen sich an, als hätte man sie aufgefordert, Streichhölzer zu verschlucken.
    »Ja, ihr da«, fügte Eva hinzu. Sie konnte streng sein, die gute Eva.
    Sie hatten keine Wahl. Langsam ließen sich Ted und Jean zu Boden sinken. Es mußte Jahre her gewesen sein, daß Tante Jean sich irgendwo in Bodennähe aufgehalten hatte, wenn sie nicht gerade betrunken hingefallen war. Sie hatten bestimmt nicht damit gerechnet, daß es an diesem Abend so devot zugehen würde, daß alle um meinen Vater herumsitzen und ihn anhimmeln würden. Später würden wir ganz schön Ärger bekommen, das stand außer Frage.
    Gott wollte anfangen. Helen setzte sich zu den anderen auf den Boden. Ich stand hinter der Bar und sah zu. Dad blickte in die Menge und lächelte, bis er sich dabei ertappte, wie er Jean und Ted anlächelte. Einen Augenblick lang änderte sich sein Gesichtsausdruck nicht.
    Obwohl er Ted und Jean Gin und Tonic nannte, hatte er nichts gegen Jean und mochte Ted eigentlich ganz gern, der ihn seinerseits auch mochte. Ted besprach oft seine »kleinen persönlichen Schwierigkeiten« mit ihm, denn obwohl es für Ted unverständlich war, wieso Dad kein Geld hatte, spürte er doch, daß Dad das Leben kannte, daß er weise war. Also erzählte Ted ihm von Jeans Sauferei oder von ihrer Affäre mit einem jungen Mitglied des Stadtrats, davon, daß sein Leben langsam nutzlos zu werden schien oder daß er sich

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