Der Buddha aus der Vorstadt
Dover« und fragte: »Wie geht’s deinem alten Herrn?«
»Noch immer bei unserer kleinen Unterhaltung, wie?« »Behalte das für dich, so wie wir es damals vereinbart haben«, sagte er und stolzierte an mir vorbei.
»Höchste Zeit, daß wir mal wieder zum Fußball gehen, Onkel Ted, findest du nicht auch? Mit dem Zug zum Beispiel, wie wär’s?«
Er ging in die Küche, als Mum gerade den Sonntagsbraten in den Ofen schob. Er nahm sie mit hinaus in den Garten, und ich sah an seinem Gesicht, daß er sie fragte, wie es ihr ginge. Mit anderen Worten, er wollte wissen, was mit Dad und Eva und der ganzen Buddha-Geschichte war. Was würde Mum antworten? Alles war okay und nicht-okay. Es gab keine Indizien, aber das mußte nicht heißen, daß keine Verbrechen begangen wurden.
Noch immer in der Laune des praktischen Geschäftsmannes, steuerte Ted, nachdem er mit Mum fertig war, Dads Schlafzimmer an. Neugierig, wie ich war, folgte ich ihm, obwohl er versuchte, mir die Tür vor der Nase zuzuschlagen.
Dad saß auf der weißen Tagesbettdecke und putzte seine Schuhe mit einem von meinen gebatikten Unterhemden. Jeden Sonntagmorgen polierte Dad geduldig und sorgfältig seine zehn Paar Schuhe, bürstete seine Anzüge, wählte die Hemden für die Woche aus - einen Tag rosa, für den nächsten blau, dann lila und so weiter -, suchte nach den Manschetten und legte die Schlipse dazu, von denen er mindestens hundert besaß. Wie er da in Gedanken versunken hockte und sich überrascht umdrehte, als die Tür mit einem Knall aufging und der riesige Ted in schwarzen Stiefeln und grünem, bauschigem Rollkragenpullover keuchend ins Zimmer stürmte und es schier sprengte, sah Dad in seiner aufgestörten Einsamkeit und Arglosigkeit ziemlich klein und kindlich aus. Sie schauten sich an. Ted wirkte plump und ungehobelt, und Dad saß einfach nur da, im weißen Unterhemd und Schlafanzughosen, sein gedrungener Hals quoll aus seiner enormen Brust hervor, die sich über dem weniger enormen Unterleib wölbte. Aber Dad machte es nichts aus, gestört zu werden. Ihm gefiel es, wenn Menschen kamen und gingen, und wenn, so wie es auch in Bombay gewesen wäre, das Haus voller Stimmen und Leben war.
»Ach, Ted, kannst du dir das bitte einmal ansehen?«
»Was?«
Ein Anflug von Panik zeigte sich auf Teds Gesicht. Jedesmal, wenn er uns besuchen kam, war er entschlossen, sich nicht überreden zu lassen, irgend etwas zu reparieren.
Er führte Ted um das Bett herum zu einem wackligen Tisch, auf dem ein Plattenspieler stand, eines von diesen Koffergeräten, die mit billigem Filz ausgeschlagen waren und einen kleinen Lautsprecher an der Vorderseite hatten. Aus dem mit sprödem Gummi bezogenen Plattenteller ragte eine lange Spindel hervor, auf die man zehn Langspielplatten auf einmal stapeln konnte. Dad zeigte darauf und sprach in einem Ton zu Ted, den er bestimmt auch bei seinen Dienern angeschlagen hatte.
»Ich bin untröstlich, Ted. Ich kann mir meine Nat-King-Cole- und Pink-Floyd-Platten nicht mehr anhören. Bitte, sieh dir das doch einmal an.«
Ted warf einen Blick auf den Apparat. Ich sah seine Finger, dick wie Würste, die Haut mit tiefen Dreckfurchen und die Fingernägel eingerissen. Ich versuchte, mir seine Hand auf dem Körper einer Frau vorzustellen. »Warum kann Karim das nicht machen?«
»Er schont seine Finger für die Zeit, wenn er mal Arzt ist. Außerdem ist er ein nutzloser Scheißer.«
»Das stimmt«, sagte Ted und strahlte über diese Unverschämtheit.
»Aber natürlich ist nur das Nutzlose von Dauer.«
Bei dieser unpassenden mystischen Bemerkung sah Ted argwöhnisch zu Dad hinüber. Ich holte Teds Schraubenzieher aus seinem Wagen, er setzte sich auf das Bett und begann, den Plattenspieler aufzuschrauben.
»Jean meinte, ich sollte dich besuchen, Harry.« Ted wußte nicht, was er als nächstes sagen sollte, und Dad half ihm auch nicht. »Sie sagt, du wärst Buddhist.«
Er sagte »Buddhist«, wie er »homosexuell« sagen würde, wenn er einen Grund hätte, »homosexuell« zu sagen, aber den hatte er nicht.
»Was ist ein Buddhist?«
»Was war denn das letztens oben in Chislehurst für eine verrückte Sache, ohne Schuhe und so?« entgegnete Ted.
»Fandest du es widerlich, mir zuzuhören?«
»Ich? Nein, ich höre jedem zu. Aber Jean, ihr hat sich ganz bestimmt der Magen umgedreht.«
»Warum?« Dad brachte Ted durcheinander.
»Buddhismus ist nicht gerade eine Sache, an die sie gewöhnt ist. Das Ganze muß aufhören! Was du auch vorhast,
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