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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Testspielen zu Millwalls und Crystal Palace. Unsere Mannschaft waren allerdings die Spurs, und weil ihr Stadion weit entfernt in Nordlondon lag, bekamen Ted und ich sie nicht oft zu sehen. Als sie jedoch ein Heimspiel in Chelsea hatten, überredete ich Ted, mich mitzunehmen. Mum war überzeugt, daß mir die Shed-Jungs einen Floh ins Ohr setzen würden und versuchte, mich davon abzuhalten. Dabei war ich gar nicht so scharf auf Fußball live. Man stand da mit Eiszapfen an den Eiern in der Kälte herum, und wenn einer ein Tor schoß, sprang das ganze Stadion in die Luft, und man sah nur noch Wollmützen, sonst nichts.
    Der Zug trug Ted und mich und unsere belegten Brote durch die Vorstädte nach London. Es war der gleiche Weg, den Dad jeden Morgen fuhr, in seiner Aktentasche Keema und Roti mit Erbsencurry, eingewickelt in fettiges Papier. Bevor wir den Fluß überquerten, fuhren wir durch die Slums von Herne Hill und Brixton, Bezirke, die so fremd und anders waren als die Gegenden, die ich kannte, daß ich aufsprang, die Fenster herunterriß und gebannt auf die Reihen verfallener, viktorianischer Häuser starrte. In den Gärten lagen verrostender Schrott und triefnasse Mäntel; im Zickzack zogen sich vollgehängte Wäscheleinen durch die Trümmerlandschaft. Ted erklärte: »Da wohnen die Nigger. Die Schwarzen.«
    Auf dem Rückweg standen wir dichtgedrängt neben Dutzenden von anderen Spur-Fans mit schwarzweißen Schals. Ich hielt eine Fußballrassel in der Hand, die ich mir in der Schule gemacht hatte. Die Spurs hauen gewonnen. Wir sangen: »Tottenham, Tottenham!«
    Als ich wieder zu Ted hinübersah, hatte er ein Messer in der Hand. Er sprang auf den Sitz und zerschmetterte die Glühbirnen in unserem Abteil. Meine Haare waren voller Glassplitter. Wir sahen zu, wie Ted vorsichtig die Spiegel zwischen den Abteilen herausschraubte - als würde er einen Radiator von der Wand nehmen - und aus dem Zug warf. Während wir hin- und herrückten, um ihm Platz zu machen - keiner machte mit - zerstach Ted die Sitze und riß das Futter heraus. Zum Schluß hielt er mir eine unzerbrochene Glühbirne hin und zeigte damit auf das offene Fenster. »Mach schon, genieß das Leben, schließlich ist Samstag.«
    Ich stand auf und feuerte die Glühbirne, so weit ich konnte, aus dem Fenster und sah nicht, daß wir in die Penge Station einfuhren. Die Glühbirne krachte gegen eine Mauer, vor der ein alter Inder saß. Der Mann schrie, stand auf und humpelte davon. Die Jungs im Zug johlten ihm rassistische Sprüche hinterher. Als Ted mich zu Hause ablieferte, hatte Mum auf mich gezeigt und gefragt, ob ich mich gut benommen hätte. Jetzt richtete Tante Jean die Scheinwerfer ihrer Augen voll auf mich.
    »Wir haben deinen Dad eigentlich immer gern gehabt, und wir haben nie etwas dagegen gesagt, als er und Margaret heirateten, obwohl es so manchen Leuten nicht paßte, daß sie einen Farbigen geheiratet hat -«
    »Tante Jean -«
    »Unterbrich mich nicht, Herzchen. Deine Mum hat mir alles haarklein erzählt, was dein Dad sich drüben in Beckenham geleistet hat. Er hat sich als Buddhist ausgegeben -«
    »Er ist Buddhist.«
    »Und er macht mit dieser verrückten Frau rum, von der jedermann weiß - weil sie es allen erzählt -, wie entstellt sie ist.«
    »Entstellt, Tante Jean?«
    »Und gestern, da haben wir kaum unseren Augen getraut, war es nicht so, Ted? Ted!«
    Ted nickte, um anzudeuten, daß er seinen Augen nicht getraut hatte.
    »Wir rechnen damit, daß diese Verrücktheiten jetzt sofort aufhören.«
    Sie lehnte sich zurück und wartete auf meine Antwort. Himmel, Tante Jean wußte nur zu gut, wie sie einem mit ihren Blicken Angst einjagen konnte, sogar so gut, daß ich mir kaum einen Furz verkneifen konnte, der gerade aus mir raus wollte. Ich schlug meine Beine übereinander und drückte mich so tief wie nur möglich in das Sofa. Aber vergeblich. Fröhlich donnerte der unartige Furz aus mir heraus. Sekunden später war das stinkende Gas aufgestiegen und trieb in Schwaden zu Tante Jean hinüber, die immer noch darauf wartete, daß ich etwas sagte.
    »Frag mich nicht, Tante Jean. Was geht es uns schließlich an, was Dad macht?«
    »Ich fürchte, was er macht, geht verdammt noch mal nicht nur ihn allein was an. Es betrifft uns alle! Die denken sonst, wir wären verrückt geworden. Denk doch bloß an Peter’s Heaters!« sagte sie und wandte sich an Onkel Ted, der sich ein Kissen vor das Gesicht hielt. »Was machst du denn da, Ted?«
    So unschuldig, wie

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