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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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sie etwas verblüfft; es gab einige Kommentare zu diesem Thema und zahlreiche Blicke in unsere Richtung, also sah ich zu, daß wir sie nicht anglotzten und ihnen auch sonst keinen Anlaß gaben, sich aufzuregen. Trotzdem war ich nervös; ich hatte Schiß, sie könnten uns von hinten anfallen.
    Jamila sagte nichts, und Helen redete voller Begeisterung von Charlie, ein Thema, das sie offenbar ziemlich gründlich studiert hatte. Jamila blickte unterdessen nicht einmal verächtlich drein, während sie geistesabwesend mehrere Pint in sich hineingoß. Sie hatte Charlie einige Male bei uns zu Hause getroffen und war, um es freundlich auszudrücken, nicht gerade von ihm angetan. »Eitelkeit, dein Name ist Charlie«, faßte sie ihren Eindruck zusammen. Charlie gab sich bei ihr keine Mühe. Warum sollte er auch? Jamila konnte ihm nicht nützlich sein, und vögeln wollte er sie auch nicht. Jamila hatte den alten Charlie auf Anhieb durchschaut; sie sagte, unter dem samtigen Idealismus verberge sich eisenharter Ehrgeiz, und das stünde schließlich ganz im Zeichen der Zeit.
    Freudestrahlend bestätigte Helen, daß Charlie nicht nur an unserer Schule ein kleiner Star sei, sondern daß sein Glanz auch andere Schulen, insbesondere Mädchenschulen, erhelle. Es gebe dort Mädchen, die Mustn’t Grumble von Auftritt zu Auftritt folgten, nur um in der Nähe ihres Schwarms zu sein, und die seine Konzerte auf Zweispurtonbandgeräten aufnahmen. Seltene Fotografien von Charlie wurden herumgereicht, bis sie ganz zerfleddert waren. Es hieß, daß ihm ein Plattenvertrag angeboten worden sei, den Fisch aber mit dem Argument, daß sie noch nicht gut genug seien, abgelehnt hätte. Wenn sie dann erst gut wären, würden sie eine der größten Bands der Welt sein, prophezeite Fisch. Ich fragte mich, ob Charlie davon überzeugt war, ob er es auch so empfand, oder ob sein Leben, das Leben, das er von Tag zu Tag lebte, so im Arsch und verworren war wie meins.
    Jammie und Helen standen hinter mir, als ich später am Abend an die Tür zu Dads Zimmer klopfte. Es kam keine Antwort.
    »Vielleicht ist er immer noch auf einer anderen Bewußtseinsstufe«, sagte Helen. Ich sah Jammie an und fragte mich, ob sie Dad auch schnarchen hörte. Wahrscheinlich, denn sie schlug laut und ungeduldig gegen die Tür. Als Dad öffnete, waren seine Haare zerzaust, und er war überrascht, uns zu sehen. Wir setzten uns um sein Bett, und er begann eine seiner eindrucksvollen Schweigephasen, die ich inzwischen als Begleiterscheinung der Weisheit zu akzeptieren gelernt hatte.
    »Wir leben in einer Zeit des Zweifels und der Ungewißheit. Die alten Religionen, mit denen die Menschheit neunundneunzigkommaneun Prozent der Zeit ihrer Geschichte lebte, sind untergegangen oder unbedeutend geworden. Unser Problem ist die Diesseitigkeit. Wir haben unsere geistigen Werte und Weisheiten gegen den Materialismus eingetauscht. Und nun zieht jedermann umher und fragt sich, wie er leben soll. Und manchmal wenden sich verzweifelte Menschen sogar an mich.«
    »Onkel, bitte -«
    Dad hob seinen Zeigefinger um den Bruchteil eines Zentimeters, und Jamila schwieg widerwillig.
    »Ich habe folgendes beschlossen.«
    Wir konzentrierten uns alle so stark, daß ich fast gekichert hätte.
    »Ich glaube, daß man nur glücklich werden kann, wenn man seinen Gefühlen, seiner Intuition, seinem wahren Begehren folgt. Verhält man sich aber im Einklang mit seinen Pflichten, Verbindlichkeiten, gibt man seinen Schuldgefühlen nach oder dem Wunsch, anderen zu gefallen, kann daraus nur Unglück erwachsen Wenn möglich, sollte man das Glück annehmen, und zwar nicht auf egoistische Weise, sondern indem man sich daran erinnert, daß jeder Mensch Teil dieser Welt ist, daß man mit anderen verbunden und nicht getrennt von ihnen lebt. Sollte der Mensch sein eigenes Glück auf Kosten des Glücks eines anderen verfolgen? Oder sollte er unglücklich sein, damit ein anderer glücklich sein kann? Es gibt niemanden, dem sich dieses Problem noch nicht gestellt hat.«
    Er schwieg einen Moment, um Atem zu holen, und sah uns an. Ich wußte, daß er an Eva (dachte. Plötzlich wußte ich auch, daß er uns verlassen würde, und ich fühlte mich verzweifelt und allein. Ich wollte nicht, daß er uns verließ. Ich liebte ihn so sehr.
    »Wenn man sich also auf die puritanische Art, auf die Art der englischen Christen, durch Selbstverleugnung straft, wird man Unmut und Unglück nur vermehren.« Jetzt sah er Jamila an. »Man fragt mich

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