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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Mühe, beim Gehen seine Füße zu heben. Er lief, als hingen ihm Zuckersäcke an den Knöcheln. Und als Changez ihn auf der Straße umarmte, dachte ich, man könnte Anwars Knochen krachen hören. Er schüttelte Changez zweimal die Hand und kniff ihm in die Wangen. Diese Anstrengung schien Anwar sehr zu ermüden. Changez’ Ankunft versetzte Anwar in geradezu ausgelassene Stimmung. Vielleicht lag es daran, daß er keinen Sohn hatte und nun einen bekam; vielleicht stimmte ihn auch sein Sieg über die Frauen so zufrieden. Wie groß auch das Ausmaß seiner selbstverantworteten körperlichen Schwäche sein mochte, so gutgelaunt wie in der letzten Zeit hatte ich ihn noch nie erlebt, und auch nicht auf so nervöse Art gesprächig. Er war kein Freund von vielen Worten, aber wenn ich in diesen Tagen in den Laden kam, nahm er mich unweigerlich beiseite und erpreßte mich mit Samosas, mit Fruchteis und der Gelegenheit, nicht arbeiten zu müssen, damit ich mich von ihm vollabern ließ. Ich bin überzeugt, daß er mich beiseite nahm - in die Vorratskammer, fort von Jeeta und Jamila, wo wir wie Fabrikarbeiter, die sich vor der Arbeit drückten, auf Holzkisten saßen -, weil er sich über seinen bitteren Sieg schämte oder sich zumindest deswegen genierte. Prinzessin Jeeta und Jamila waren seit einiger Zeit in Begräbnisstimmung und gaben Anwar auch nicht für eine Sekunde Gelegenheit, die Freuden seiner Tyrannei zu genießen. Es blieb dem armen Teufel also nichts anderes übrig, als seinen Sieg mit mir zu feiern. Würden sie denn nie die Früchte seiner Weisheit zu schätzen wissen?
    »Mit einem zweiten Mann im Haus werden sich die Dinge hier gründlich ändern«, erzählte er mir strahlend. »Der Laden muß tapeziert werden. Ich brauche einen Jüngeren, der auf eine Leiter steigen kann! Außerdem muß jemand da sein, der die Kisten vom Grossisten hierherträgt. Wenn Changez kommt, soll er mit Jamila den Laden übernehmen. Und ich kann die Frau« - er meinte seine eigene Frau - »irgendwohin mitnehmen, wo es schön ist.«
    »Wo ist es schön, Onkel? Wohin willst du sie mitnehmen? In die Oper? Ich habe gehört, daß gerade eine gute Aufführung von >Rigoletto< läuft.«
    »In ein indisches Restaurant, der Besitzer ist ein Freund von mir.«
    »Und wo ist es noch schön? Wohin gehst du noch mit ihr?« »In den Zoo, verdammt! Überall, wohin sie nur will!« Anwar wurde sentimental, wie es gefühllose Menschen oft werden. »Sie hat ihr Leben lang hart gearbeitet. Sie hat eine kleine Pause verdient. Sie hat uns alle immer so sehr geliebt. So geliebt. Wenn die Frauen meinen Standpunkt doch nur begreifen würden. Aber wenn der Junge erst mal kommt, dann werden sie schon verstehen. Dann werden sie schon sehen, he?«
    In der Vorratskammer-der-Geheimnisse erfuhr ich auch, daß Anwar sich auf Enkelkinder freute. Anwar war überzeugt, daß Jamila sofort schwanger werden würde, und daß es bald von kleinen Anwars nur so wimmelte. Anwar würde sich um die kulturelle Erziehung der Kleinen kümmern, sie zur Schule bringen und zur Moschee mitnehmen, während Changez wahrscheinlich den Laden tapezieren, Kisten tragen und meine Freundin Jamila erneut schwängern würde. Während dieser Unterhaltungen pflegte Jamila die Tür zur Vorratskammer zu öffnen und richtete einfach nur die schwarzen Mündungen ihrer Augen auf mich, als säße ich dort mit Eichmann zusammen.
    Für den festlichen Anlaß hatten Jeeta und Jamila im oberen Zimmer der Wohnung ein dampfendes, köstliches Festmahl mit Keema und Aloo, Reis, Chapatis und Nan zubereitet. Es gab Tizer, Vanille-Shakes, Bier und Lassi zu trinken; und alles lag auf einer weißen Tischdecke vor uns ausgebreitet. Für jeden gab es winzige Papierservietten. Angesichts des wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzten und geschrubbten Zimmers, das auf die Hauptstraße nach London hinausging, konnte man kaum glauben, daß erst vor wenigen Wochen ein Mann hier versucht hatte, sich zu Tode zu hungern.
    Anfangs fühlten sich alle unbeholfen und verlegen, und das Fest war die reinste Hölle. Um das Schweigen zu brechen, unternahm Onkel Anwar mit der Wortgewandtheit eines Oscar Wilde drei Versuche, die Unterhaltung in Gang zu bringen, aber alle Versuche scheiterten. Ich musterte den fadenscheinigen Teppich. Sogar Helen, die sich mit wohlwollender Neugier umsah, und von der man gewöhnlich eine erheiternde und aufrüttelnde Bemerkung erwarten konnte, sagte außer zweimal »lecker-lecker« kein Wort und sah aus

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