Der Buddha aus der Vorstadt
gerade bei dem Stück »Equus« am Contact-Theater die Regie geführt hatte, Bryan vorzustellen, einem freiberuflichen Journalisten, der sich auf Filmbesprechungen spezialisiert hatte, oder während sie Karen, Sekretärin eines Literaturagenten, mit Robert, dem Designer, bekanntmachte; während sie über das neue Dylan-Album plauderte und erklärte, was gerade in den Riverside-Studios abliefe, wurde mir klar, daß sie sich ihr vorstädtisches Stigma richtiggehend aus dem Körper herausbrennen wollte. Sie verstand nicht, daß es ihr im Blut lag und nicht auf der Haut; sie begriff nicht, daß es kaum etwas Vorstädtischeres gab als den Versuch eines Suburbianers, sich selbst zu verleugnen.
Ich war erleichtert, als ich endlich jemand Bekanntes entdeckte. Vom Fenster aus sah ich Jamila aus einem Taxi steigen, an ihrer Seite eine japanische Frau und Changez. Ich war froh, das glückliche Puddinggesicht meines alten Freundes wiederzusehen, wie er da blinzelnd an der verfallenen Villa hochsah, in der unsere Wohnung lag. Als sich unsere Blicke trafen, merkte ich, wie sehr ich mich danach sehnte, ihn wieder einmal in meinen Armen halten und seine Fettpölsterchen drücken zu können. Allerdings hatte ich ihn nicht mehr gesehen, seit er auf seinem Feldbett gelegen und mich dabei beobachtet hatte, wie ich nackt neben seinem geliebten Weibe schlief, der Frau, die ich ihm gegenüber immer nur »Schwester« genannt hatte. Natürlich hatte ich in der Zwischenzeit oft mit Jamila telefoniert. Changez - der ruhige, gleichmütige, unerschütterliche Changez - war damals nach dem Nackt-auf-dem-Bett-Vorfall wohl ziemlich durchgedreht. Er tobte und beschimpfte Jamila, warf ihr Ehebruch vor sowie Inzest, Verrat, Hurerei, Betrug, Lesbentum, Gattenhaß, Frigidität, Verlogenheit und Gefühllosigkeit, und was sonst noch so üblich ist.
Jamila ließ sich nichts von ihm bieten und klärte ihn wutentbrannt erst einmal darüber auf, wem ihr verdammter Körper schließlich gehöre. Und überhaupt ginge es ihn nichts an: Hätte er etwa nicht seinen regelmäßigen Fick? Er könne sich seine Scheinheiligkeit in den Arsch schieben! Changez, der im tiefsten Inneren ein konservativer Moslem war, erklärte ihr die diesbezüglichen Lehren des Koran, und als Worte sie nicht überzeugen wollten, versuchte er, ihr eine Tracht Prügel zu geben. Aber Jamila ließ sich nicht prügeln. Sie verpaßte Changez eine eindrucksvolle Rückhand auf die wabbelnden Hängebacken, die ihm das Maul für die nächsten vierzehn Tage verschloß. Während dieser zwei Wochen wuchtete er sich mit blau angelaufenem Kiefer und bitterer Leidensmiene auf sein Feldbett - diese Insel im Sturm - und sagte kein einziges Wort.
Jetzt schüttelte er mir die Hand und hielt sie fest. Ich muß zugeben, daß ich die leichte Befürchtung hegte, er würde mir ein Messer in den Wanst stoßen.
»Wie geht es dir, Changez?«
»Siehst gut aus, wirklich gut.«
»Wirklich?«
Ohne zu zögern, sagte er: »Laß uns nicht drumherum reden. Glaubst du, ich könnte dir je verzeihen, daß du meine Frau gevögelt hast? Ist das vielleicht nett, seinem Freund so etwas anzutun, eh?«
Ich war nicht unvorbereitet.
»Ich kenne Jammie schon mein Leben lang, yaar. Uralte Abmachung. Sie gehörte mir, soweit sie überhaupt jemandem gehörte, und sie hat nie jemandem gehört und wird nie jemandem gehören, kapiert? Sie gehört sich selbst.« Sein trauriges Gesicht zitterte. Er blickte ernst und verletzt drein, schüttelte den Kopf und setzte sich hin.
»Du hast mich betrogen. Es war ein herber Schlag. Du hast mich hart getroffen, Karim, unter der Gürtellinie.«
»Wie kommt ihr beiden überhaupt miteinander aus?« wechselte ich das Thema. Ich setzte mich neben ihn, und wir machten jeder ein Heineken auf Changez wirkte ernst und nachdenklich.
»Ich muß die Zeit der Anpassung einfach realistisch sehen. Schließlich bin ich Inder, und es ist nicht gerade leicht für mich, mit dem fertigzuwerden, was meine Frau so macht. Jamila verlangt von mir, daß ich einkaufe, und daß ich den Abwasch und das Putzen erledige. Außerdem hat sie sich mit Shinko angefreundet.«
»Shinko?«
Er zeigte auf die Japanerin, die mit ihm gekommen war. Ich sah sie an; irgendwo hatte ich sie schon einmal gesehen. Dann erst fiel mir wieder ein, wer Shinko war - seine Freundin, die Prostituierte, mit der er die Harold-Robbins-Stellungen ausprobierte. Ich war verblüfft. Mir fehlten die Worte, aber immerhin konnte ich vor mich hin kichern,
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