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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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wolle. Man würde Leute einladen, von denen man wußte, daß sie sich nicht ausstehen konnten, und freute sich dann, wenn sie hervorragend miteinander zurechtkamen. Aus irgendeinem Grund glaubte ich ihr nicht; ich war sogar überzeugt davon, daß sie die Unwahrheit sagte. Was sie auch sonst noch vorhatte - und sie hatte etwas vor -, jedenfalls kreuzte sie ständig irgendwelche Namen an und strich sie wieder durch und ließ die Gästeliste, ein dickes, cremefarbenes Stück Papier, nicht aus den Augen. Sie tat ungewöhnlich geheimnisvoll, führte verwickelte Gespräche mit Weiß-der-Himmel-wem am Telephon und wollte Dad oder mich auf keinen Fall in ihre Pläne einweihen.
    Ich wußte nur, daß Shadwell bei all dem eine Rolle spielte. Eva machte sich seine Kontakte zunutze. Eva und er waren Komplizen. Eva flirtete mit ihm und spannte ihn für sich ein. Sie sagte ihm, was er tun sollte, und bat ihn um Gefälligkeiten. Ich war beunruhigt, aber Dad schien sich keine Gedanken zu machen. Er gab sich Shadwell gegenüber väterlich und fühlte sich kein bißchen von ihm bedroht. Er hielt es für selbstverständlich, daß man sich in Eva verliebte. Doch der Abend ging Dad durchaus etwas an. Zum Beispiel wollte er seine Meditationsgruppe zur Party einladen, doch Eva bestand darauf, daß höchstens zwei aus der Gruppe kommen könnten. Sie wollte bei ihrer neuen, mondänen Clique nicht den Eindruck erwecken, daß sie sich mit einer Bande von Korbflechtern aus Bromley abgeben würde. Also kamen nur Chogyam-Jones und Fruitbat. Sie trafen eine Stunde zu früh ein, als Eva noch in der Badewanne in der Küche stand und sich die Beine rasierte. Eva duldete die beiden, weil sie für Dads Philosophie und somit für ihr Mittagessen bezahlten, aber während sich Eva für den spektakulären Abend die gelbe Seidenbluse anzog und die beiden Meditierenden ins Schlafzimmer gingen, um zu singen, hörte ich, wie Eva zu Dad sagte: »Die Zukunft sollte nicht allzuviel von der Vergangenheit enthalten.« Später, gerade als die Party in Schwung kam und Eva sich mit Dad über den Ursprung des Wortes »Bohemien« stritt, zog Fruitbat einen Notizblock aus der Tasche und fragte, ob sie sich einige Bemerkungen von Dad aufschreiben könne. Der Buddha aus der Vorstadt gewährte ihr diese Bitte mit hoheitlichem Kopfnicken, während Eva ein Gesicht zog, als würde sie am liebsten die Schere nehmen und Fruitbat die Augenlider abschneiden.
    Erst ungefähr vierzig Minuten nach Beginn dieser lange vorbereiteten Party merkten Dad und ich, daß wir so gut w r ie niemanden kannten. Shadwell dagegen schien alle zu kennen. Er stand an der Tür, begrüßte die Eintreffenden, zeigte sein albernes Lächeln, kicherte und fragte, wie es denn Dem-und-dem gehen würde. Er gab sich auch betont tuntig, ohne es zu sein; es war einfach nur eine seiner Posen, eine Masche, seine Art sich zu präsentieren. Und wie immer strotzte er vor Gesundheit, er trug einen schwarzen Fummel zu schwarzen Stiefeln und schien von wilden Zuckungen befallen. Sein Gesicht war weiß, seine Haut skrofulös und seine Zähne verfault.
    Seit ich in der neuen Wohnung lebte, kam Shadwell wenigstens einmal pro Woche, um Eva zu besuchen, tagsüber, wenn Dad in seinem Büro war. Eva und er unternahmen lange Spaziergänge oder gingen ins Kino im ICA, um sich Scorsese-Filme oder eine Ausstellung über dreckige Windeln anzusehen. Eva kümmerte sich nicht darum, ob ich und Shadwell uns näher kennenlernten; im Gegenteil, ich spürte deutlich, daß es ihr nicht paßte, wenn wir uns unterhielten. Sooft ich Shadwell und Eva zusammen sah, wirkten beide auf mich ziemlich angespannt, als hätten sie sich gerade gestritten oder teilten eine Menge Geheimnisse miteinander.
    Während sich das Partyvolk in glitzernder Garderobe die Ehre gab, begriff ich allmählich, daß dieser Abend für Eva kein Fest, sondern ihr Einstand in der Londoner Gesellschaft war. Sie hatte jeden Theater- und Filmmenschen eingeladen, der ihr in den letzten Jahren über den Weg gelaufen war, und auch eine ganze Reihe von denen, die ihr noch nicht begegnet waren. Viele gehörten zu Shadwells Bekanntenkreis, Leute, die er nur ein- oder zweimal getroffen hatte. Jeder drittklassige Schauspieler, stellvertretende Filmproduzent, Wöchenendschriftsteller, Halbtagsregisseur und all ihre Freunde, wenn sie denn welche hatten, kreuzten in unserer Wohnung auf. Während meine geliebte Zweitmutter mit strahlendem Lächeln durch die Zimmer glitt, um Derek, der

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