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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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rückte ich von Shadwell ab, aber dann fing ich Evas Blick auf. Sie funkelte mich an.
    »Ich seh schon, daß du mich loswerden willst«, sagte Shadwell, »um dich mit faszinierenderen Leuten zu unterhalten. Aber Eva hat mir gesagt, du interessierst dich für die Schauspielkunst?«
    »Ja, seit langem, glaub ich.«
    »Also ja oder nein? Soll ich mich nun für dich interessieren oder lieber nicht?«
    »Doch, wenn Sie mich interessant finden.«
    »Gut, ich bin interessiert. Ich möchte, daß du für mich arbeitest. Man hat mir für eine Saison ein Theater überlassen. Würdest du eine Rolle in einem Stück übernehmen wollen?«
    »Ja«, sagte ich. »Ja, ja. Ja, ich will.«
    Als die Gäste um drei Uhr morgens gegangen waren, wir zwischen den Resten saßen und Chogyam und Fruitbat Abfall in Plastiktüten sammelten, wollte ich mit Eva über Shadwell reden. Ich sagte ihr, daß er ein totaler Langweiler sei. Eva, diese Madame Verdurin von Westlondon, war sofort eingeschnappt; sie meinte, Dad und ich wüßten die Qualität ihrer Gäste nicht zu schätzen. »An wessen Verstand hast du dich denn heute abend gemessen, Karim? Ihr beide benehmt euch ja, als lebten wir immer noch in der hintersten Provinz. Und es ist ungezogen, Karim, sich darüber zu ärgern, daß Shadwell so langweilig ist. Er kann doch nichts dafür, es ist einfach ein Mißgeschick. Beinahe so, als wäre er mit einer Rüben-Nase geboren.«
    »Bei der weht jetzt der Wind aus ’ner anderen Richtung«, sagte ich zu Dad, aber der hörte nicht hin. Er beobachtete Eva. Anscheinend war er in neckischer Laune, denn er tätschelte das Kissen neben sich und sagte: »Komm her, komm her, kleine Eva, ich will dir ein Geheimnis erzählen.« Sie trieben immer noch ihre nervtötenden Spiele, tupften sich zum Beispiel gegenseitig Sperma auf die Nase und nannten sich Merkin und Muffin. Was soll man davon halten? Chogyam wandte sich an Dad. »Was ist Ihre Ansicht? Was halten Sie von der Langeweile?«
    Dad räusperte sich und sagte, langweilige Menschen seien absichtlich langweilig. Es sei eine Frage der Persönlichkeit, und man könnte ihnen die Verantwortung dafür nicht abnehmen, indem man behaupte, sie seien wie Rüben. Langweiler wollten ihre Zuhörer betäuben, damit die sie nicht durchschauten.
    »Ist auch egal«, flüsterte Eva, setzte sich zu Dad, bettete seinen Kopf in ihren Schoß und sah mich an. »Jedenfalls hat Shadwell ein richtiges Theater, und aus irgendeinem Grund mag er dich. Vielleicht können wir ja einen Theaterjob für dich an Land ziehen. Das willst du doch, oder nicht?«
    Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Hier bot sich eine Chance, aber ich hatte Angst davor, Angst, mich bloßzustellen und zu versagen. Im Gegensatz zu Charlie war mein Ehrgeiz nicht stärker als meine Zweifel.
    »Entscheide dich«, sagte Eva. »Ich helf dir, mein Milchgesicht, egal bei was.«
    Mit Eva als meiner Regisseurin - eine Arbeit, die ihr sehr viel Spaß machte - übte ich in den nächsten Wochen für mein Vorsprechen bei Shadwell einen Monolog aus dem Stück »TheMadDogBlues« von Sam Shepard ein. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie so hart gearbeitet, und als ich endlich angefangen hatte, merkte ich auch, daß mir noch nie etwas so wichtig gewesen war. Der Monolog begann so: »Ich saß in einem Greyhound von Carlsbad nach Loving, New Mexico. Wollte meinen Dad Wiedersehen. Nach zehn Jahren. Rausgeputzt in ’nem Zweireiher und blitzenden Schuhen. Der Fahrer ruft >Loving<, und ich spring aus dem Bus...«
    Ich wußte, was ich tat; ich hatte mich gründlich vorbereitet; aber das hieß nicht, daß ich nicht trotzdem kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand, als es endlich soweit war. »Kennen Sie das Stück >The Mad Dog Blues    Er saß in der ersten Reihe seines Theaters und beobachtete mich. Auf den Knien, die in speckigen Hosen steckten, balancierte er ein Notizbuch. Er nickte. »Mir gefällt Shepard. Außerdem wollen wohl die meisten Jungs so sein wie er, weil er A) attraktiv ist, B) schreiben und spielen kann, C) weil er Schlagzeug spielt und D), weil er ein wilder Typ und ein Rebell ist.«
    »Genau.«
    »Also sag mir >The Mad Dog Blues< auf, aber mach es gut.« Shadwells Theater war ein kleines Holzgebäude, eine Art große Hütte, und lag im vorstädtischen Norden von London. Es hatte nur ein kleines Foyer, dafür aber eine große Bühne, eine vernünftige Beleuchtung und außerdem etwa

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