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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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mehr in die Augen sehen. Als die Lichter angingen, stand er aufrecht und angespannt neben mir, Spuren getrockneter Kotze im Gesicht.
    »Laß uns gehen«, sagte ich.
    Wir waren wie betäubt; vor lauter Angst, wieder in unser banales Ich zurückverwandelt zu wurden, sagten wir lieber kein Wort. Die wilden Kids strömten nach draußen. Charlie und ich drängten uns durch die Menge. Dann blieben wir stehen.
    »Was ist los, Charlie?«
    »Ich muß hinter die Bühne und mit diesen Typen reden.« Ich schnaubte verächtlich. »Warum sollten die mit dir reden wollen?«
    Ich dachte, gleich knallt er mir eine; aber er nahm es erstaunlich gut auf.
    »Yeah, es gibt keinen Grund, warum sie mich mögen sollten«, sagte er. »Wenn ich mich selbst in die Garderobe kommen sehen würde, würde ich mich auch rausw r erfen.« Wir liefen durch West Kensington, aßen Cervelatwurst und in Salz getunkte Pommes mit Essig. Vor dem Burger sammelte sich eine Menschenmenge; einige Typen holten sich Zigaretten aus dem indischen Laden an der Ecke und warteten dann an der Bushaltestelle. In den Kneipen stellten die Kellner die Stühle auf die Tische und riefen: »Beeilung bitte, vielen Dank, auf Wiedersehen.« Vor den Kneipen stritt man sich darüber, wo man noch hingehen konnte. Mich schüchterte die Stadt nachts ein: die Alkis, Penner, Schnorrer und Dealer gröhlten herum und w arteten nur auf eine Schlägerei. Die Polizei kreuzte durch die Straßen, und manchmal griff sich der Arm des Gesetzes aus dem Wägen heraus eines der Kids, zog es an den Maaren und knallte seinen Schädel gegen die nächste Wand. Die abgewrackten Kids pißten in Hauseingänge.
    Charlie war aufgeregt »Das ist es, genau das«, sagte er, als wir langsam durch die Straßen schlenderten. »Verdammte Scheiße, das ist es.« Seine Stimme überschlug sich vor Begeisterung. «Ab heute nacht kannst du die sechziger Jahre vergessen. Diese Kids haben einen tödlichen Anschlag auf die Hoffnung verübt. Die Hoffnung ist hin, und diese Kids sind unsere gottverdammte Zukunft.«
    »Yeah, kann schon sein, aber mit denen können war nicht mithalten«, sagte ich gelassen.
    »Warum nicht?«
    »Ist ja wohl klar, daß wir keine Plastikklamotten und Sicherheitsnadeln tragen können. Wie würde das aussehen, Charlie, ich bitte dich.«
    »Warum denn nicht. Karim? Mann, warum denn nicht?«
    »Ist einfach nicht unser Ding.«
    »Aber wir müssen uns ändern. Was sagst du? Wir können nicht mithalten? Meinst du, daß wir Vorstadtjungs immer wissen sollten, wo wir hingehören?«
    »Es wäre aufgesetzt«, sagte ich. »Wir sind nicht so wie die. Wir hassen nicht so wie sie. Wir haben keinen Grund dazu. Wir kommen nicht aus dem Ghetto. Wir haben nicht durchgemacht, was die durchgemacht haben.«
    Er drehte sich um und warf mir einen seiner gehässigsten Blicke zu.
    »Du wirst es nie zu etwas bringen, Karim. Du machst nichts aus deinem Leben, weil du immer in die falsche Richtung glotzt und wie immer den falschen Weg einschlägst. Aber versuch ja nicht, mich mit runterzuziehen. Ich brauch deine Mutlosigkeit nicht! Glaub bloß nicht, daß ich so enden will wie du!«
    »So wie ich?« Ich konnte kaum reden. »Was paßt dir eigentlich nicht an mir?« stieß ich hervor.
    Aber Charlie beachtete mich nicht mehr, er sah zur anderen Straßenseite hinüber. Vier Kids aus dem Nashville, zwei Mädchen und zwei Typen, quetschten sich in einen Wagen. Sie machten die Passanten an, johlten und ballerten mit Spritzpistolen in der Gegend herum. Im nächsten Moment sah ich, wie Charlie zwischen den fahrenden Autos hindurch auf sie zu sprintete. Er verschwand hinter einem Bus, und ich dachte schon, er wäre überfahren worden. Als er wieder auftauchte, riß er sich sein Hemd - es war eigentlich meins - vom Leib. Zuerst dachte ich, er wolle damit der Menge zuwinken, aber dann knüllte er es zusammen und schleuderte es gegen einen Polizeiwagen. Sekunden später sprang er zu den Kids in den Wägen und fiel mit dem nackten Oberkörper bei jemandem auf den Schoß. Noch bevor er die Tür zuknallen konnte, fuhr der Wagen los und bog in die North End Road. Charlie war unterwegs zu neuen Abenteuern. Ich ging nach Hause.
    Einige Tage später verkündete Eva: »Karim, laß uns wieder zusammen arbeiten. Es wird Zeit. Ruf Onkel Ted an.« »Großartig«, sagte ich. »Endlich.«
    Aber es gab da noch etwas, was sie vorher erledigen wollte. Sie müsse eine Einweihungsparty geben, sagte sie. Sie habe eine Partytheorie, die sie ausprobieren

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