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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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zweihundert Sitzplätze. Man führte Stücke auf wie »French without Tears«, den neuesten Ayckbourn, Frayn oder eine Pantomime. Eigentlich war es in erster Linie ein Amateurtheater, aber pro Jahr wurden hier auch drei professionelle Aufführungen inszeniert, meistens Stücke, die auf dem Lehrplan der Schulen standen, zum Beispiel »The Royal Hunt of the Sun«.
    Als ich fertig war, applaudierte Shadwell mit den Fingerspitzen, als hätte er Angst, seine Hände würden sich infizieren, wenn sie sich berührten. Er kam auf die Bühne. »Ich danke dir, Karim.«
    »Hat es Ihnen gefallen?« fragte ich atemlos.
    »So sehr, daß ich dich bitten möchte, es noch einmal zu machen.«
    »Was? Noch einmal? Aber ich glaub, das war meine Glanzleistung, Mr Shadwell, besser geht’s nicht.«
    Er beachtete mich gar nicht. Er hatte eine Idee: »Nur werden diesmal zwei zusätzliche Dinge passieren: A) Um deinen Kopf wird eine Wespe fliegen; und B) die Wespe will dich stechen. Deine Motivation - alle Schauspieler lieben ein bißchen Motivation - Du willst die Wespe vertreiben, verscheuchen, abwehren, okay?«
    »Ich glaub nicht, daß Sam Shepard die Sache mit der Wespe gefallen würde«, sagte ich selbstbewußt. »Glaub ich ganz und gar nicht.«
    Shadwell drehte sich um und glotzte mit übertriebener Dramatik in jeden Winkel des verlassenen Theater. »Aber er ist verdammt noch mal nicht hier. Oder bin ich blind geworden?«
    Und er setzte sich wieder und wartete darauf, daß ich anfing. Ich fühlte mich völlig bescheuert, als ich mich wild fuchtelnd gegen diese blöde Wespe wehrte. Aber ich wollte die Rolle, welche es auch sein würde. Ich konnte unmöglich in die Wohnung nach West Kensington zurückkehren, ohne zu wissen, was ich mit meinem Leben anfangen sollte, und auch noch nett sein müssen, ohne von jemandem respektiert zu werden.
    Als ich Shepard und die Wespe hinter mich gebracht hatte, legte Shadwell seinen Arm um mich. »Gut gemacht! Du hast dir einen Kaffee verdient. Komm mit.«
    Er nahm mich mit in ein Cafe für Lkw-Fahrer, nicht weit vom Theater. Ich war bester Stimmung, besonders als er sagte: »Nach einem Schauspieler wie dir habe ich gesucht.«
    In meinem Kopf läuteten Festtagsglocken. Wir holten den Kaffee und setzten uns. Shadwell schob seinen Ellbogen über den halben Tisch, stützte ihn in einer Teepfütze auf, preßte seine Wange in die Hand und starrte mich an. »Ehrlich?« fragte ich begeistert. »Einen Schauspieler wie mich? Wieso?«
    »Einen Schauspieler, der die Rolle übernehmen kann.« »Welche Rolle?« fragte ich.
    Er sah mich ungeduldig an. »Die Rolle aus dem Buch.«
    Ich konnte manchmal ziemlich direkt sein. »Welches Buch?«
    »Ich hab dich doch gebeten, ein Buch zu lesen, Karim.« »Nein, haben Sie nicht.«
    »Ich hab Eva gesagt, sie soll es dir sagen.«
    »Aber Eva hat mir nichts gesagt. Ich würde mich doch daran erinnern.«
    »Verdammt, o Himmel, ich werde noch verrückt. Karim, was zum Teufel denkt sich diese Frau eigentlich?« Und er stützte seinen Kopf in die Hände.
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Aber sagen Sie mir wenigstens, um welches Buch es geht. Vielleicht kann ich es heute noch auftreiben.«
    »Hör auf, den Neunmalklugen zu spielen«, sagte er. »Es sind die >Jungle Books<. Kipling. Kennst du natürlich.« »Yeah, ich hab den Film gesehen.«
    »Kann ich mir vorstellen.«
    Er konnte ein arrogantes Arschloch sein, der alte Shadwell, soviel stand fest. Aber was er auch sagen würde, ich würde mich zurückhalten. Dann fing er plötzlich mit einer ganz anderen Tour an. Statt mit mir über den Job zu reden, sagte er einige Worte in Punjabi oder Urdu und sah aus, als wollte er mit mir ein tiefsinniges Palaver über Ray oder Tagore oder sonstwen halten. Um ehrlich zu sein, klang es mehr wie Gurgeln, wenn er redete.
    »Nun?« sagte er. Er rasselte noch einige Worte. »Verstehst du das nicht?«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    Was hätte ich sonst sagen sollen? Ich hatte keine Chance. Ich wußte, daß er mich deswegen verachten würde. »Deine eigene Sprache?«
    »Yeah, ich meine, ein bißchen kenn ich schon. Die Schimpfworte. Ich weiß, wann man mich >Kamelarsch< nennt.«
    »Klar. Aber dein Vater spricht doch wenigstens diese Sprache, oder etwa nicht? Muß er doch einfach.«
    Natürlich kann mein Vater sprechen, wollte ich sagen. Er spricht mit dem Mund, im Gegensatz zu dir, du verdammtes Arschgesicht.
    »Sicher, ich aber nicht«, sagte ich. »Wär ja auch doof. Wenn Dad Urdu reden würde,

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