Der buddhistische Mönch
wer die Mehrheit stellt: farangs, die ihren Urlaub hier verbringen, trendige Städter, Thais mittleren Einkommens auf der Suche nach echten Schnäppchen oder Schaulustige, die einfach nur gern über Märkte schlendern. Jedenfalls muss ich mich durch die Menge winden und drängen, um Stand 398 zu erreichen.
Zwei hübsche junge Frauen in Schürzen mit großen Geldtaschen preisen den Passanten ihre Waren an, besonders wohlhabenden farang- Familienmit den großen Augen, die jeder bei seinem ersten Aufenthalt im exotischen Osten bekommt. Ich trete an einen der Käfige, in dem ein leuchtend rot-gelber Papagei sitzt, befeuchte meinen Zeigefinger und streiche damit über seinen Kopf. Sofort wenden die jungen Frauen sich mir zu. »Ich heiße Sonchai«, teile ich ihnen mit, bevor sie Gelegenheit haben, mich zu schelten. Gleichzeitig hebe ich den Zeigefinger, dessen Spitze sich rot gefärbt hat. Die ältere der beiden dirigiert mich zum hinteren Ende des Stands, der vom vorderen Teil durch einen Planenvorhang abgetrennt wird. Dort sitzt der Wachmann des Parthenon Clubs mit Brille, blauer Militärhose und Flip-Flops, aber ohne Hemd an einem Tisch. Der braune Vogel mit den langen Schwanzfedern in seiner linken Hand ähnelt einem Ara. Ich kenne seinen englischen Namen nicht, weiß aber, dass er weit verbreitet ist, besonders in Isaan, wo man ihn sogar als Plage erachtet. Sein Gefieder schimmert in allerlei Braunschattierungen von dunkler Schokolade bis Café au Lait. Da seine monochrome Schönheit keinen Anklang beim Durchschnittskäufer findet, muss der Vogel wie früher die Akropolis durch Farbe aufgepeppt werden.
Der Wachmann, vor dem ein dickes Buch mit farbigen Abbildungen liegt, benutzt einen winzigen Künstlerpinsel. »Das wird ein rotschwänziger tropischer Vogel«, erklärt er nach einem Blick in den Band. » Phaethon rubricauda. «Er sieht mich kurz an, bevor er weiter pink- und orangefarbene sowie schwarze Markierungen an Augen und Flügeln des Tiers aufträgt. Mit der Konzentration eines Picasso verleiht er dem Vogel nach und nach Wert. »Das war meine Tätigkeit, bevor ich für ihn zu arbeiten anfing und sozusagen meine Unschuld verlor. Jetzt mache ich das hier gratis, um nicht aus der Übung zu kommen. Der Stand gehört meiner Schwester, und die Mädchen draußen sind ihre Töchter.« Er ringt sich ein schiefes Grinsen ab. »Man könnte es einen Familienbetrieb nennen, der von Generation zu Generation weitervererbt wird. Im Allgemeinen geben die Jungs die besseren Maler ab. Mein Vater war ein Genie – wenn er wollte, konnte er eine Amsel in einen Flamingo verwandeln. Im Vergleich zu seinen Fähigkeiten verblassen die meinen.« Mich überzeugt seine Bescheidenheit genausowenig wie der Vogel, dessen Selbstbewusstsein durch sein neues Kleid offenbar enorm gestiegen ist. Als der Künstler ihn in den Käfig zurücksetzt, beginnt er herumzutrippeln und sich in die Brust zu werfen, um seine Artgenossinnen zu beeindrucken. Ich frage: »Was ist mit den Orchideen?«
»Ach, die sind Frauensache. Dazu fehlt den Jungs die Geduld.« Ich werfe einen Blick auf die exotischen Blumen mit ihren schweren Köpfen, die abknicken würden, wenn die Stiele nicht durch verborgene Drähte gestützt wären. »Bei denen ist keine Täuschung im Spiel.«
»Nur die Erwartung, dass sie die nächsten paar Tage überstehen.«
Ein schmales Lächeln tritt auf seine Lippen. »Sie sind das Ergebnis intensiver Arbeit, werden aus Hybriden gezüchtet, und nur ein Fachmann bringt solche Blüten zustande, normalerweise ein einziges Mal im Leben einer Pflanze.« Er deutet auf eine Reihe von Büchern auf einem Regal. »Die Mädchen müssen die englischen Bezeichnungen lernen, denn zu uns kommen viele Orchideenliebhaber mit komplizierten Fragen. Die Kommunikation ist gar nicht so leicht, weil es keine Thai-Übersetzungen gibt.« Er holt einen weiteren braunen Vogel aus dem Käfig, streichelt und betrachtet ihn wie ein Porträtmaler sein Modell, bevor er sagt: »Sie müssen entschuldigen, aber mir fällt es leichter, mich mit Ihnen zu unterhalten, wenn ich mich auf meine Arbeit konzentriere. Das Malen entführt mich in eine bessere Welt. Was genau wollen Sie wissen?«
»Alles, was Sie mir sagen können.«
»Über den Tod Ihrer Freundin Nok? Nicht viel. Ich habe sie nicht ermordet; meine Aufgabe war es, hinterher aufzuräumen. Er verwendet Profis für solche Jobs. Ich bin nur der Wachmann.«
»Aber den Schlüssel hatte sie von Ihnen. Sie haben sie
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