Der buddhistische Mönch
vorzustellen.«
»Tja, sieht tatsächlich ernst aus«, pflichte ich ihr bei.
Ein etwa fünfzigjähriger Australier mit Outdoor-Shorts, langen weißen Strümpfen, Sandalen und riesigem Bierbauch trägt seinen Teller zu dem Tisch neben dem unseren, wo seine Freundin, deren Mutter und ein paar andere Verwandte, vermutlich Geschwister oder Cousins, sowie ein etwa fünfjähriger Junge sitzen.
»Das ist ihr Sohn von einem Thai-Lover«, flüstert Nong mir zu.
Der Australier versucht Small Talk mit der Familie zu machen, die es offenbar darauf abgesehen hat, ihn zu adoptieren, doch seine Angebetete tauscht mit ihren Angehörigen lieber in ihrer Heimatsprache, einem Dialekt des Laotischen, den neuesten Klatsch aus. Hin und wieder schenkt sie dem Australier ein freundliches, tröstendes Lächeln, drückt kurz seinen Oberschenkel und sagt ihm ein paar Worte auf englisch, um sich dann mit frischem Elan wieder den anderen zuzuwenden. Dem Australier ist das vielleicht nicht klar, aber seine künftige Familie plaudert genau so, wie sie es daheim in ihrem Holzhaus auf dem Boden sitzend tun würde, vermutlich mit dem Fernseher auf voller Lautstärke und umringt von einem Dutzend sich gegenseitig verprügelnder Kinder. Nong, die das Laotische besser versteht als ich, beginnt zu grinsen. Als die FBI-Frau mit einem Teller voller Austern für Chanya zurückkommt, übersetzt meine Mutter mit großem Vergnügen die Unterhaltung am Nachbartisch:
»Ihre Tante hat gerade gefragt, welche Farbe der Schwanz von dem farang hat und wie sie’s machen bei seinem Riesenbauch. Das Mädchen sagt, sein Schwanz ist eigentlich hell, aber nach dem Sex wird er leuchtend pinkfarben, und meistens lässt sie sich von hinten nehmen. Sonst kriegt sie nämlich, wenn er mit seinem ganzen Fett auf ihr draufliegt, beim boom-boom Blähungen. Aber meistens ist er sowieso zu betrunken und schläft auf dem Sofa ein, während sie im Bett fernsieht. Verspricht eine gute Ehe zu werden.«
Die Familie bricht in schallendes Gelächter aus. Die FBI-Frau starrt ihren Teller an. »Ist das ein normales Tischgespräch?«
Chanya, Nong und ich grinsen. »Die meisten von uns sind Bauern, Kinder der Erde«, erkläre ich. Wir senken alle den Blick, als der Australier die Stimme erhebt.
»Ich würd gern wissen, was du mit deiner Familie redest, Sonja«, sagt er ein wenig verärgert zu seiner Angebeteten. In Unkenntnis westlicher Etikette erzählt sie es ihm brühwarm, Wort für Wort, in gutem, wenn auch ein wenig gestelztem Englisch. Der Australier erblasst, trinkt sein Bier aus und bestellt ein neues. Ich bewundere, wie schnell er sich fängt. »Du wirst gut zurechtkommen in Queensland, Sonja. Hast du schon mal ’nen Wettbewerb im Zwergenwerfen gesehen?« Er erklärt ihr die Sportart, und sie übersetzt für ihre Familie ins Laotische. Ihre Angehörigen lauschen mit großen Augen und bombardieren sie mit Fragen, die sie ins Englische überträgt: Bekommt man Geld dafür? Wie viel? Wie klein muss man sein? Der ältere Bruder meiner Tante ist grade mal einsfünfzig, könnte der mitmachen? Schließen die Leute Wetten ab? Kriegt man leichter ein Visum, wenn man beim Zwergewerfen teilnimmt? Sonjas Familie, die den Australier zuvor eher langweilig fand, erwärmt sich nun für ihn. Erfreut darüber, endlich ein Thema zu haben, das seine künftigen Anverwandten interessiert – er hatte es bereits ohne nennenswerte Reaktion mit folgenden versucht: Steuern, Weltwirtschaft, Lebensstandard, sein neuer Toyota mit Vierradantrieb, sein riesiger Kühlschrank, Kranken- und Lebensversicherung, Naher Osten –, stürzt er sich nun in Geschichten vom Outback über Kängurujagd und menschenfressende Krokodile. Plötzlich ist er der Hit, und sie schließen ihn ins Herz. »Du bist schon ein halber Isaaner«, erklärt Sonja ihm. Strahlend leert der Australier sein Bier und bestellt sich ein weiteres. So sehr unterscheidet Thailand sich gar nicht von Queensland.
Ich stehe auf, um Nachschub vom Meeresfrüchtebuffet zu holen, auf dem unter der Eisskulptur eines Seepferdchens Austern, Garnelen und Shrimps ruhen. An einer anderen Stelle des riesigen Raums türmen sich chinesische, thailändische, italienische, französische, japanische und orientalische Gerichte um eine Art Insel. Neben mir stehen Teilnehmer einer Konferenz mit großen Namensschildern an der Brust und eingefrorenem Lächeln auf den Lippen. In ihrer Strahlemann-Anonymität bilden sie so etwas wie eine eigene Rasse. Ich gerate ins
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