Der buddhistische Mönch
interessiert.)
»Ich möchte ja keinen Polizisten abweisen, aber in zehn Minuten muss ich eine Englischstunde halten.«
»Und wo, Mr. Baker?«
»Hier.« Er sieht mir in die Augen. »Eine Privatstunde. Ja, schwarz, anders kann man in diesem Land nicht überleben. In der Schule, wo ich vormittags arbeite, verdiene ich nicht genug.«
Ich nicke. »Ich will Sie nicht aufhalten. Sehen wir, wie weit wir kommen, bevor der Schüler auftaucht«, sage ich.
»Gut.«
»Ihre Exfrau Mrs. Damrong Baker.«
Er scheint nicht zu wissen, wie er reagieren soll. Erst nach einer ganzen Weile bricht der Zorn aus ihm heraus. »Dieses Miststück – was hat sie jetzt wieder angestellt?«
Ich runzle die Stirn. »Hat sie denn schon mal was angestellt?«
Ein Fehler meinerseits; ich klinge deutlich zu informiert. Sofort erstarrt seine Miene, und er zuckt mit den Achseln. »Ich war ein Jahr lang mit ihr verheiratet. Wir haben zusammengelebt. Sie könnten mich genauso gut fragen, was sie nicht getan hat, um mich kaputt zu machen – die Liste würde kürzer ausfallen.«
Ich wechsle einen Blick mit Lek und nicke ihm zu. Er brennt darauf, seine Befragungstechniken zu üben – und sein Englisch.
»Mr. Baker, wie haben Sie Ihre Thai-Frau kennengelernt?«
Erst jetzt nimmt Baker Lek wahr. Es gibt vermutlich nicht viele transsexuelle Cops in Bangkok; meines Wissens ist Lek sogar der Einzige. Im Dienst achtet er darauf, seinen knospenden Busen zu verbergen, und beschränkt seine Tuntigkeit auf ein Minimum. Aber seine Körpersprache verrät alles. Wie er Baker nicht in die Augen sieht, wirkt schüchtern und weiblich verschlagen gleichermaßen. Baker versucht es mit Verachtung, überlegt es sich jedoch nach einem Blick auf mich anders. Ich signalisiere ihm mit einer Bewegung des Kinns: Ja, die Frage müssen Sie beantworten.
Er brummt etwas und wird dann plötzlich redselig. »Ich war Anfang Dreißig, hatte grade eine Beziehung hinter mir, als ich zehn Tage Urlaub in Thailand machte, Damrong kennenlernte, ihr mit Haut und Haaren verfiel. Tja, das ist die einzige offiziell sanktionierte Form des Glücks, die der Westen kennt: die Liebe. Was für ein Schwindel. Ich war völlig gaga. Natürlich hab ich ihr so viel Geld geschickt, wie ich konnte, damit sie sich nicht an andere Männer verkauft. Natürlich hab ich ihr alle Lügen geglaubt. Natürlich ist sie mit jedem Typen ins Bett, der bereit war, ihren Preis zu zahlen, während ich mich abmühte, ein Computerunternehmen in Fort Lauderdale für eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Natürlich hab ich den ganzen bürokratischen Scheiß von den amerikanischen Einwanderungsbehörden erledigt. Natürlich hab ich sie geheiratet, natürlich ist sie zu mir in die Staaten gekommen, und natürlich hat’s nicht mal ein Jahr gehalten. Natürlich ist sie mir als einzige Frau je so unter die Haut gegangen – weil sie viel realistischer war als ich. Natürlich, natürlich, natürlich.« Und mit einer Handbewegung fügt er hinzu: »Ich bin als ganz gewöhnlicher Durchschnitts- farang auf sie reingefallen wie alle andern auch, egal, ob Franzosen, Italiener, Deutsche oder Briten – es ist immer wieder die gleiche langweilige Geschichte. Die muss ich Ihnen ja nicht erzählen, oder?«
Der Ausbruch wirkt echt, denn es folgt ein erstaunter Gesichtsausdruck: Hab ich das wirklich alles gesagt? Er mahlt mit den Kiefern. »Tja, so war das mit mir und ihr – Sklavensyndrom nennt man das wohl. Wollen Sie jetzt noch wissen, wie ich mit meiner Mutter zurecht gekommen bin?«
»Nein, danke«, antwortet Lek angewidert und fordert mich mit einem Blick auf, die weitere Befragung zu übernehmen. Östrogen verlängert die Konzentrationsspanne offenbar nicht.
»Sie klingen ziemlich verbittert, Mr. Baker«, sage ich mit einem mitfühlenden Lächeln, dem er keine Beachtung schenkt.
»Liegt wahrscheinlich an diesem Land. Kennen Sie farangs, die nach einer ähnlichen Erfahrung nicht verbittert sind?«
Ich zucke mit den Achseln. »Der Zusammenprall der Kulturen fordert Opfer.«
Er sieht mich verständnislos an. »Der Zusammenprall der Kulturen? Sie meinen die Konfrontation eines Mannes aus dem Westen mit seinem jämmerlichen Bedürfnis, in einen sicheren Bauch zurückzukriechen, mit einer Thai-Nutte, die nur nach einer ergiebigen Goldader sucht? Vor Anthropologiestudenten könnte man das durchaus ›Zusammenprall der Kulturen‹ nennen, ja.« Er schüttelt den Kopf. »Ich sag eher ›kompletter Ruin‹ dazu. Meiner. Durch sie.
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