Der buddhistische Mönch
Grübeln, ob Bangkok sich vielleicht auf einer kosmischen Kreuzung befindet, wo Besucher aus unterschiedlichen Galaxien sich treffen, ohne miteinander zu kommunizieren. Als ich mit einem Teller voll Sushi und Garnelen zu unserem Tisch zurückkehre, trifft die FBI-Frau mit Eiscreme für Chanya ein. Sie findet sie faszinierend, himmelt sie fast an wie eine Geliebte. Meine Gedanken wandern zu Damrong, und wie zufällig (nein, natürlich ist das kein Zufall, sondern kosmische Intervention) klingelt mein Handy.
»Ganz sicher bin ich nicht, aber ich könnte eine Spur gefunden haben«, sagt Lek. »Möglicherweise gibt es mehr als eine Kopie von der DVD.«
Ich bemühe mich, den Damen am Tisch gegenüber meine Erleichterung zu verbergen, dass sich etwas bewegt in dem Fall. »Tut mir leid«, teile ich ihnen mit, »aber ich muss los.«
Als ich die Brieftasche zücke, winkt Nong ab und meint, sie werde das Essen über die Spesenrechnung des Old Man’s Club absetzen. Ich sehe die FBI-Frau an, um festzustellen, ob sie sich damit abfinden kann, von Prostitutionsgeldern zu profitieren. Ihr schmeckt das Essen so gut, dass sie den Zusammenhang überhaupt nicht realisiert.
Draußen überquere ich die Skytrain-Brücke und benutze dann die Rolltreppe zur neuen U-Bahn an der Asok, die erst vor ein paar Jahren eröffnet wurde und immer noch nagelneu aussieht. Ich steige in Klong Toey aus, wo Lek mich erwartet.
»Das werden Sie mir jetzt nicht glauben«, begrüßt Lek mich aufgeregt flüsternd, »aber in den Clubs munkelt man über ein Snuff Movie mit einem Maskierten und einer Thai-Nutte. Die Information stammt von einem in der ganzen Soi Vier bekannten katoy, der einen Lover aus der High Society hat.«
Die Slums von Klong Toey sind die größten und in vielerlei Hinsicht auch die gepflegtesten von Bangkok. Die meisten Hütten dort haben eine ähnliche Größe und Höhe, und die Gehwege werden nach thailändischer Art riap roy oder blitzsauber gehalten. Im Allgemeinen leben die Menschen hier in fast mietfreien Unterkünften, was von Vorteil sein kann, wenn man sich weiterbilden möchte, als Frau die Blüte hinter sich hat und sich selbst versorgen muss, Drogen der harten Realität vorzieht oder einfach nur die Arbeit hasst. Lek, der sich auskennt, führt mich einen parallel zu den Gleisen verlaufenden Weg entlang. Rechts von uns befindet sich eine endlose Reihe von Holzhütten, vor denen Hunde sich kratzen, Katzen umherstromern, nackte Kinder in Ölfässern gebadet werden, Teenager mit grünen und orangefarbenen Haaren herumlungern und Familien in der kühlen Abendluft essen. »Er ist Künstler«, klärt Lek mich auf. »Deswegen steht der Typ aus der High Society auch so auf ihn. Ich war mal bei ’ner Party dabei. Letztlich ist er ein ban-nok, schlimmer noch als ich, aber er hat, wie gesagt, diese kreative Ader, deswegen angelt er sich immer die potenten Lover.« Ban-nok lässt sich grob mit »Landei« übersetzen, ist aber viel beleidigender. Wir bleiben vor einer Haustür mit einem prächtigen scharlachroten Drachen auf schwarzem Untergrund stehen. »Begreifen Sie jetzt, was ich meine?«, fragt Lek. Es ist etwas Verspieltes an der hoch aufgerichteten Haltung des Drachen, seinen fast schon feminin wirkenden langen Krallen und seinem boshaften Grinsen.
»Wirklich sehr gut gelungen«, sage ich, worauf Lek stolz strahlend an der Tür klopft. »Pi-Oon, ich bin’s, Lek.« Als sich nichts rührt, klopft er noch einmal, diesmal lauter. »Er raucht gern Ganja, das lieben alle Künstler. Was anderes rührt er nicht an, auch Alkohol nur sehr selten, aber mit Ganja driftet er manchmal tagelang ab.« Er klopft noch lauter, bevor er, Scheiß katoy-Miststück murmelnd, sein Handy herausholt und wie eine wütende Nutte in seinem auf dem Khmer basierenden Isaan-Dialekt hineinschimpft. »Er weiß, dass Sie dabei sind«, erklärt er, klappt das Handy zu und steckt es weg. »Und jetzt hat er Schiss wegen dem Ganja.« Er bedenkt mich mit einem gequälten Lächeln. »Er macht auf, sobald er vom Mond runter ist.«
Endlich hören wir, dass sich auf der anderen Seite der Tür etwas regt. Ein paar Riegel werden zurückgezogen, und sie öffnet sich einen Spalt. Zum Vorschein kommt Pi-Oon in seiner ganzen Pracht, nur mit einer Radlerhose bekleidet. Er hat ein überraschend markantes, männliches Gesicht, trägt purpurfarbenen Lidschatten und Lippenstift und das pechschwarze Haar auf altmodische Weise zu einem Pferdeschwanz gefasst. Eine üppige
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